■ Kommentar: Beton-Beschleunigung
Was Umweltinitiativen befürchtet hatten, ist eingetreten: mit den Bauarbeiten am Sachsendamm darf sofort begonnen werden, entschied gestern das Bundesverwaltungsgericht. Obwohl erst in Monaten oder Jahren ein Urteil darüber gefällt wird, ob die Kläger, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und die in einer Klagegemeinschaft zusammengeschlossenen Initiativen, mit ihren Einwänden gegen die Bauarbeiten recht haben, werden am Sachsendamm ab heute unabänderlich Fakten geschaffen. Daß erst gebaut und dann in der Hauptsache entschieden wird, ist Folge des von Umweltverbänden kritisierten „Beschleunigungsgesetzes“: den Klägern standen vor dessen Verabschiedung mehr Instanzen zur Verfügung – und damit mehr Recht. Nicht sie hätten Argumente liefern müssen, vielmehr hätte der Bauherr — in diesem Fall das Land Berlin — erfolgreich begründen müssen, warum eine aufschiebende Wirkung unangemessen wäre. Das Gericht würde ohne das von Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) initiierte neue Gesetz den Beginn der Bauarbeiten gegen die Klage der Umweltschützer nur dann zulassen, wenn sie mit aller Wahrscheinlichkeit mit ihrem Begehren am Ende des Verfahrens nicht ins Recht gesetzt würden.
Jetzt aber ist durchaus möglich, daß im Hauptverfahren die Argumente von BUND und Klagegemeinschaft die Richter überzeugen. Nur wem nützt dieses Recht, wenn nach dem Buchstaben des Gesetzes Bäume dort stehen müßten, wo inzwischen der ICE vorüberbraust? Hoffentlich macht diese Art von Rechtsprechung nicht Schule: sie ist keine Ermunterung für jene, die gehofft hatten, daß ihre Argumente vom Gericht gehört werden, bevor Fakten geschaffen sind. Kein Wunder, wenn der Widerstand gegen den Bau neuer Autobahn- und Eisenbahntrassen sich nicht mehr auf die Rede im Gerichtssaal beschränkt. Dirk Wildt
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