■ Kommentar: Grün kommt zu Grün
Wer zerstört, muß für Ersatz sorgen – dieses bewährte Prinzip gilt seit Jahren auch im Bereich Umwelt- und Naturschutz und ist Grundlage der Berliner Eingriffsregelung. Sie besagt bislang noch, daß ein Bauherr Kompensation leisten muß, wenn er mit seinem Projekt Grünflächen oder Bäume vernichtet. Demnach müssen in genau jenem Bezirk Setzlinge gepflanzt und Grünflächen ausgewiesen werden, in dem die Arbeiter die Motorsäge an die Baumstämme legen werden. Die bisherige Regelung steht nun zur Disposition. Umwelt- und Bauverwaltung haben einen Vorschlag ausgearbeitet, wonach die Ersatzleistung nicht mehr an den Bezirk gebunden bleibt. Diese mögliche Reform dient vor allem den Interessen der Investoren, die in den Innenstadtbereich drängen – kein Wunder, daß die Bauverwaltung sich für sie stark macht.
Was passiert, wenn das Kernstück der Eingriffsregelung preisgegeben wird, haben sich Naturschützer in den Bezirken schon mit Schrecken ausgemalt: In den Bezirken Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Kreuzberg wird zwischen Brandmauern und Betonflächen der kümmerliche Restbestand an Grün abgeholzt. Als Ausgleich werden in Wilmersdorf, Frohnau oder Köpenick ein paar Bäume in den dort üppig sprießenden Wald gestellt. Und die Verwaltung muß diese Praxis dann offiziell absegnen. Wo es heute grau ist, wird es grauer werden; wo es sich heute im Grünen gut und gesund leben läßt, wird es in Zukunft noch schöner. Die Großinvestoren werden es dem Umweltstaatssekretär danken, wenn er die Bedenken aus den Bezirken beiseite schiebt: Die Bäume, die sie für die Parkhäuser, Bürotürme oder Kongreßzentren im Innenstadtbereich fällen lassen, werden dann in den Gärten ihrer Gründerstilvillen im Grunewald neu angepflanzt. Kurzum, ein wunderschönes Tauschgeschäft zugunsten städtischer Lebensqualität in der Hauptstadt, die so stolz ist auf ihre ausgedehnten Grünflächen. Ein Tauschgeschäft allerdings, bei dem wenige ihre Lebensqualität auf Kosten der Mehrheit verbessern. Hans Monath
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