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■ KommentarUnterlassene Hilfe

Drei Menschen werden auf einem U-Bahnhof niedergestochen. Ein Zugfahrer wird von Zeugen informiert, ebenso der BVG-Angestellte auf dem Bahnhof. Dennoch dauert es über zwanzig Minuten, bis endlich zwei Polizisten erscheinen – und keinen Finger krumm machen, um Erste Hilfe zu leisten. Die Feuerwehr braucht offenbar sogar eine halbe Stunde, bis endlich ein Notarzt am Ort ist. Da war ein Opfer rechter Gewalt schon nicht mehr zur retten. Dabei wäre dies zu verhindern gewesen: Zugführer haben Sprechfunkgeräte und U-Bahnhöfe einen Telefonanschluß, von Erste-Hilfe- Kästen zu schweigen. Das Verhalten sowohl der Polizisten und der BVG-Angestellten kommt deshalb einer unterlassenen Hilfeleistung gleich.

Manches spricht aber dafür, daß es hier nicht nur um individuelles Fehlverhalten geht, sondern der Tod die Konsequenz einer polizeilichen Zurückhaltung ist, wenn es um Delikte mit rechtsextremem Hintergrund geht. Lichtenberger Bürger haben beispielsweise kürzlich beklagt, daß die Feuerwehr nahezu eine Stunde brauchte, als Rechtsextreme einen Brandanschlag gegen ein künftiges Flüchtlingsheim verübten. Auch der erste Hinweis der Polizei, Hintergrund der tödlichen Stiche seien innerlinke Auseinandersetzungen, ist verräterisch, weil ihr zum gleichen Zeitpunkt längst bekannt war, daß es sich um eine rechtsextreme Gewalttat handelt. War das eine ebenso bedachte wie unterschwellige Diffamierung? Zumindest wird mit dem unheilvollen Doppelklang von der linken und rechten Gewalt gespielt, die gleichermaßen diesen Staat bedrohen – sind Linke deshalb selber schuld, wenn sie niedergestochen werden? Für Berlin kann der Mord auf dem U-Bahnhof deswegen fatale Folgen haben. Nichts braucht diese Stadt weniger als eine Spirale der Rache und Gegengewalt. Dies aber kann nur verhindert werden, wenn der Staat keinen Zweifel aufkommen läßt, daß er sein Gewaltmonopol nachdrücklich auch zum Schutz und zur Hilfe der Menschen einsetzt, die tagtäglich in der Öffentlichkeit gegenüber Rassisten und erlebter Ausländerfeindlichkeit nicht schweigen und nicht wegschauen. Bleibt diese Unterstützung aus, dürfen sich die Rechtsextremen bestätigt fühlen. Gerd Nowakowski

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