■ Kommentar: Der Preis des Konsums
Was kostet die freie Marktwirtschaft? Diese Frage fördert für manchen neuen Bundesbürger dieser Tage eine weitere bittere Wahrheit zutage: Mit der Illusion, alles sei käuflich, hat er im ersten Kaufrausch vergessen, daß alles auch seinen Preis hat. Und der Preis für die Konsumgüter des goldenen Westens wird nun fällig. Das heißersehnte Automobil, der Videorecorder und die Mikrowelle müssen bezahlt werden. Auf Raten zwar, eine weitere Errungenschaft des Kapitalismus, aber die sprunghaft angestiegenen Lebenshaltungskosten bei niedrig gebliebenen Löhnen machen es vielen schwer, den Verpflichtungen nachzukommen. Zum endgültigen Ruin ist es dann nur noch ein Schritt. Für manchen, der zu knapp kalkuliert hat, braucht es nicht einmal die Arbeitslosigkeit zu sein. Es genügen geringfügigere Auslöser wie ein Wohnungsumzug oder eine Scheidung.
Man kann den BürgerInnen in den neuen Ländern kaum vorwerfen, zu unbedacht gewesen zu sein. Schließlich hatten sie die Versprechungen des Bundeskanzlers im Ohr. Dessen Rechnung hatte freilich einige Unbekannte: beispielsweise den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie, Steuererhöhungen und eine galoppierende Arbeitslosigkeit. Und das Jonglieren zwischen dem Verlangen nach Konsumgütern und den finanziellen Möglichkeiten erfordert eben einige Übung. Die Schuldnerberatungsstellen versuchen, in diesem Wettlauf zwischen Soll und Haben mitzuhalten. Einige, die in diese Falle der Konsumgesellschaft getappt sind, werden so vor dem sozialen Ruin bewahrt. Was bleibt, ist das Gefühl, einmal mehr betrogen worden zu sein. Anne-Kathrin Koppetsch
Siehe auch Bericht Seite 28
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