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■ KommentarArgumente reichen aus

Gute Argumente gegen Olympia gibt es genug. Es braucht nicht einmal die Überlegung, ob es noch vertretbar ist, sich die Profitmaximierung eines überlebten Sportkonzerns als nationale Aufgabe verkaufen zu lassen. Es reicht, daß diese Stadt auf lange Zeit damit beschäftigt sein wird, in ihre neue Rolle als Hauptstadt zu wachsen. Das wird nicht ohne unabsehbar belastende Konflikte und Verwerfungen abgehen. Zu den Baumaßnahmen, die viele Jahre lang die Innenstadt zur riesengroßen Baugrube machen werden, kommt der politische Streit mit der Bundesregierung, deren Vorstellungen einer menschenleeren Regierungsbannmeile im Zentrum den Interessen der Metropole Berlin existentiell zuwiderlaufen. In welches Chaos triebe diese Stadt, wenn neben dem Regierungsviertel auch noch die olympischen Stätten errichtet werden sollten? Wo blieben die Gelder für die dringend notwendige Stadtsanierung und den Wohnungsneubau? Selbst Senatsmitglieder wünschen heimlich, die Olympiabewerbung möge scheitern – auch wenn sie derzeit dieses – zumindest öffentlich – nicht kundtun werden. Was Wunder, daß trotz manipulativer Befragung nur eine knappe Mehrheit der Berliner für die Spiele ist.

Die Olympiagegner haben deshalb gute Karten, dem Senat klarzumachen, daß es nicht nur darum gehen kann, dem IOC die besten TV-Einschaltzeiten zu bieten, oder den Herren der Ringe zu verdeutlichen, daß es keine Mehrheit für Olympia gibt. Nichts aber rechtfertigt „direkte Angriffe“. Eine Strategie, die Menschen angreift, ist immer kriminell, egal mit welchen politischen Floskeln sie schöngeredet wird. Die Verfasser des autonomen Strategiepapiers treibt auch gar nicht die Sorge um die Stadt. Die Anti-Olympia-Aktionen fügen sich in ein krudes revolutionäres Konzept, bei dem mit stalinistischer Selbstjustiz Kneipen verwüstet und Wagen angesteckt werden, weil sie angeblichen Bonzen gehören. Für gemeinsame politische Aktionen mit der demokratischen Linken gibt es keine Basis. Den Grünen darf es deshalb nicht egal sein, von Autonomen in ihrem Schlachtplan legaler und illegaler Aktionen vereinnahmt zu werden. Diesmal müssen sie sich vorher distanzieren, nicht erst hinterher. Augenzwinkernde Kumpanei als romantischer Reflex auf alte Zeiten kann sich die Partei nicht leisten. Die Grünen sind zu oft als nützliche Idioten mißbraucht worden, um sich noch Illusionen hingeben zu können. Beim Konflikt um den neuen Standort der Parteizentrale in Kreuzberg demonstrieren Autonome schließlich deutlich genug, daß die Grünen längst selbst zu jenen gehören, die bekämpft werden. Gerd Nowakowski

Siehe Berichte Seite 22 und 23

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