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KommentarBundesanstalt für Arbeit greift in laufende Arbeitsverhältnisse ein

■ Büttel der Arbeitgeber

Im März dieses Jahres wurden die Arbeitsämter durch einen Erlaß verpflichtet, die allgemeine Arbeitserlaubnis an „ausländische“ Arbeitnehmer nur noch auf ein Jahr befristet zu erteilen. Vor Verlängerung oder Neuerteilung muß streng geprüft werden, ob nicht „bevorrechtigte Arbeitnehmer“ den Arbeitsplatz besetzen können. Ungefähr 10 Prozent der nichtdeutschen Arbeitnehmer sind von dieser Regelung betroffen.

Als Begründung für die Verschärfung der Bestimmungen führt die Bundesanstalt für Arbeit die hohe Zahl von allgemeinen Arbeitserlaubnissen im Kalenderjahr 1992 an. Tatsächlich wurden in diesem Zeitraum 463.919 allgemeine Arbeitserlaubnisse für die erstmalige Beschäftigung erteilt, zudem wurden 257.210 allgemeine Arbeitserlaubnisse für eine erneute Beschäftigung angegeben, und 273.765 allgemeine Arbeitserlaubnisse wurden „ausländischen“ Arbeitnehmern für die Fortsetzung einer Beschäftigung gewährt.

Was aber sind die Ursachen für diese hohe Zahl von allgemeinen Arbeitserlaubnissen, die immerhin gegenüber dem Jahr 1991 um 49,4 Prozent angestiegen sind? Über Jahre hinweg wurde den Asylbewerbern vorgeworfen, ihr Antrieb für die Flucht in die Bundesrepublik sei die in Aussicht gestellte Sozialhilfe. Im Zusammenhang mit dem Ausländergesetz 1990 wurde das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufgehoben und der Zugang zum Arbeitsmarkt geöffnet. Mit der Neuregelung des Ausländerrechtes wurde über den Paragraphen 10 die Regelung geschaffen, für zeitlich begrenzte Beschäftigungen Saisonarbeiter, Werkvertragsarbeitnehmer und „Gastar

Foto: Werner Bachmeier

beitnehmer“ auf dem Arbeitsmarkt zuzulassen.

Die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten waren in erster Linie dazu gedacht, den sogenannten Zuwanderungsdruck aus den mittel- und osteuropäischen Ländern abzufedern. Deshalb wurden in besonderen Abkommen verschiedene Kontingente an Saisonarbeitnehmer, Werkvertragsarbeitnehmer und „Gastarbeitnehmer“ eingeräumt.

Diese Regelung führte zur Freude einzelner Arbeitgeber in bestimmten Branchen zu einem Boom bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen. So wurden allein im Jahr 1992 212.442 Arbeitserlaubnisse für die Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer ausgestellt. Im Dezember 1992 wurden zugleich 100.365 „ausländische“ Arbeitnehmer als Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt. Am höchsten lag diese Beschäftigungsform in den Monaten August/September bei 115.967. Die Zahl der „Gastarbeitnehmer“ blieb auf geringem Niveau in der Größenordnung von etwa 5.000. Rechnet man diese Zahlen zusammen, wird erkennbar, warum die Beschäftigung von nichtdeutschen Arbeitnehmern Ende 1992 die Spitze von 2.119.600 erreichte. Festzuhalten bleibt also: die erklärte Politik hat zu diesem Anstieg der beschäftigten nichtdeutschen Arbeitnehmer geführt.

Mit der zunehmenden Verwilderung des Zugriffs auf „ausländische“ Arbeitnehmer, dem Anstieg der illegalen Beschäftigung, der Ausgrenzung der Klein- und Mittelbetriebe des Bausektors bei der Zuteilung von Werkvertragsarbeitnehmern verschärfte sich der Konkurrenzdruck auf dem Markt der Baubranche. Unternehmen und Gewerkschaften der betroffenen Branchen machten Druck auf die Bundesregierung.

Diese wiederum griff zum Instrument eines Erlasses und forderte nicht nur eine strenge Prüfung bei der Erteilung der Arbeitserlaubnisse zu einer erstmaligen Beschäftigung, sondern dehnte diese Beschäftigungen auch auf bestehende Arbeitsverhältnisse aus. Fakt ist nun: Dort, wo sich der „ausländische“ Arbeitnehmer mit allgemeiner Arbeitserlaubnis um eine Verlängerung der Erlaubnis für eine Fortsetzung der Beschäftigung bemüht, verweigert das zuständige Arbeitsamt – mit Hinweis auf den März-Erlaß – die Verlängerung der Arbeitserlaubnis.

Damit wird in ein laufendes Beschäftigungsverhältnis eingegriffen, und dem Arbeitgeber wird die Kündigung durch die Arbeitsmarktbehörde abgenommen. Es kommt somit zu einem geräuschlosen Arbeitsplatzabbau. Zugleich werden sowohl die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz als auch die Schutzfunktion des Kündigungsschutzgesetzes außer Kraft gesetzt. Damit macht sich die Arbeitsmarktbehörde zum Büttel der Arbeitgeber.

Diese Verhaltensweisen gilt es zu brandmarken. Verständnis könnte man aufbringen, wenn in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit der Zugang von außen bestimmten Regularien unterworfen wird. Kein Verständnis kann es aber dafür geben, wenn durch den Eingriff in bestehende Arbeitsverhältnisse die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers aufs Spiel gesetzt wird. Der Erlaß führt dann in der Praxis letztlich dazu, daß das Vorurteil „Ausländer nehmen Deutschen die Arbeitsplätze weg“ zementiert wird und diejenigen rechtsextremistisch-rassistischen Kräfte in ihren Parolen „Ausländer raus“ bestärkt werden.

Yilmaz Karahasan

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