■ Kommentar: Hart an der Grenze
Der Protest gegen den Auftritt Jürgen Echternachs in der Ottenser Christianskirche war so intelligent und witzig gemacht, daß die Störer die Lacher auf ihrer Seite hatten. Es erinnerte an ein groteskes Theaterstück, sogar der so bekämpfte CDU-Politiker mußte ein-, zweimal grinsen. Echternach hatte sich zuvor durch seine Äußerungen als Lokalpolitiker unmöglich gemacht, Armut als Problem deklariert, das es aus dem Sichtfeld zu verbannen gilt. Sicher schadet es einem Bonner Staatssekretär nicht, eine Situation wie am Montag abend „aushalten“ zu müssen, ohne die zuvor bereitgestellte Polizei einsetzen zu dürfen und auf diese Weise ein Exempel zu statuieren.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob es politisch sinnvoll ist, eine Veranstaltung, bei der Politiker und einige wenige interessierte Bürger über ihren Stadtteil reden wollten, zu unterbinden. Wie wäre die Situation, wenn „Bürger“ auf einer „Szene“-Veranstaltung erschienen und die Kommunikation mittels Applaus unterbänden? Sich stumm wie ein Fisch im Aquarium zu fühlen, ist nicht schön. Grundsätzlich hat keine Gruppe das Recht zu bestimmen, worüber sich eine andere Gruppe unterhält. Und was geht in den Köpfen der Ottenser vor, die latent mit den Sprüchen Echternachs sympathisieren, die mitbekommen haben, daß der Wirt des „Jever-Krugs“ die Veranstaltung wegen einer Drohung abgesagt hatte? Unterdrückter Unmut verschwindet nicht von selbst.
Die Proteste der eingesessenen Ottenser waren berechtigt, die Form der Aktion aber und vor allen ihre Wirkung hart an der Grenze. Kaija Kutter
Siehe Bericht Seite 18
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