■ Kommentar: Stamokap, frei ab 6
Maschinenpistolen, aufjaulende Alfa-Romeo-Motoren, prächtige Mittelmeervillen, schmutzige Lire-Bündel: Der staatskriminelle Filz in Italien hat Farbe, Klasse und Rasse.
Nummernkonten in der Schweiz, Ferien auf südamerikanischen Haciendas, Panzerpleiten und Starfighter-Crashs, Fleischgeschäfte mit Stasifunktionären: Der bayrische Staatsfeudalismus weiß zu leben.
Notarskürzel, Bankbürgschaften, Gewerkschaftsmief und Sozifilz: Der hanseatische Staatskapitalimus bietet ein tristes Antlitz. Konnte Italiens Regisseur Damiano Damiani seine spektakulären Thriller frech aus der Realität kopieren, motiviert Bayerns barocke Machterfaltung immerhin einen Achternbuch, die Biermösl-Blosn oder Gerhard Polt zu bissigen Höhenflügen, so verlieren künstlerisch ambitionierte Realitätsverwerter beim Schweißgeruch der roten Hamburger Socken sofort Lust und Kreativität. Kein Crime, kein Sex – in Hamburg geht es sauber und bieder, familär, kurz: sozialdemokratisch zu. Stamokap, frei ab 6 Jahre.
Eine große sozialdemokratische Familie, vereint im Kampf für das Gute: Hamburgische Landesbank, Hamburgische Electricitätswerke, Hamburger Stahlwerke, Senat, Bürgerschaft, Wirtschaftsbehörde, Finanzbehörde, Haushaltsausschuß, IG Metall, Kreditkommission.
Da hilft ein Rechtsanwalt 800 malochenden Kumpeln. Wie praktisch, daß er mit den Gewerkschaften kann, den Haushaltsausschuß der Bürgerschaft lenkt und die Karriere seines Wandsbeker Genossen Henning Voscherau befördert. Wie sympathisch, daß Weiland Kunde des jungen Notarskollegen Voscherau wird. Wie naheliegend, daß Voscherau, gestützt von den SPD-Batallionen Wandsbeks, zum Fraktionsvorsitzenden und schließlich gar Stadtchef aufsteigt.
Das Büro Weiland, renommiert wegen seiner Qualität und Durchsetzungsfähigkeit, ist derweil unermüdlich um das Wohl der Stadt bemüht: Ob städtische Müllieferungen nach Schönberg der juristischen Begleitung bedürfen, ob ein kanadischer Finanzmulti den Hamburger Wirtschaftsaufschwung befördern will oder Bürochef Weiland gar höchstpersönlich die Bürde eines wirtschaftlichen Engagements in der Krisenbranche Stahl übernimmt.
Voscherau wiederum weiß Heimat und Herkunft zu würdigen: Ob er – als Fraktionsvorsitzender – Wandsbeker Senatoren wählen hilft, Altersversorgungen für Senatoren mit auf den Weg bringt oder sich – als Bürgermeister – schützend vor die Stahlwerke seines Genossen Weiland stellt.
Schon die heute bekannten Fakten der Vermengung von Politik, privaten Geschäften, Staatsunternehmen, Behörden und parlamentarischen Institutionen sind ein Skandal, der – wenn auch nicht in strafrechtlicher, so doch in politischer Hinsicht – italienische und bayrische Dimensionen besitzt. Vor einer Säuberung dieses Augiastalles ist Aufklärung angesagt: Wie sehen die vollständigen finanziellen Details des HSW/Weiland-Deals aus? Welche Geschäfte tätigten und tätigen Weiland und sein Büro sonst noch für die Stadt? Hat sich Weiland bei Voscherau mit politischen Gegenleistungen (Karriereförderung?) bedankt?
Eine Sonderprüfung des HSW-Deals durch den Hamburgischen Landesrechnungshof und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß, der sich den gesamten Komplex Weiland-Wandsbek-Rathaus-SPD zur Brust nimmt, wären das Mindeste. Auch die Hamburger SPD ist gefragt: Selbstreinigung tut not, um zumindest die letzten Reste politischer Glaubwürdigkeit zu bewahren.
Florian Marten
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