■ Kommentar: Die Siegesbilanz
Die Nachricht der Senatsinnenverwaltung klingt wie eine Siegesmeldung: „Abschiebezahl 1993 im Vergleich zu 1992 versechsfacht“. Im vergangenen Jahr wurden 3.175 Ausländer in ihre Heimatländer abgeschoben; unter ihnen befanden sich 1.400 abgelehnte Asylbewerber. Das sind sechsmal mehr als 1992 – was auf den sogenannten Asylkompromiß zurückzuführen ist. Es ist den Politikern kein bißchen peinlich, daß sich unter diesen abgeschobenen Asylbewerbern minderjährige Waisen, Hochschwangere und Patienten des Berliner Zentrums für Folteropfer befanden und viele Flüchtlinge überhaupt nicht hätten zurückgeschickt werden dürfen, weil ihre Anerkennungsverfahren noch liefen. Ab und zu gelingt es Engagierten, illegal abgeschobene Asylbewerber noch in letzter Minute aus dem Flugzeug zu eisen. Aber bei wie vielen ist es nicht gelungen? In der Erfolgsabschiebebilanz des Senats kommen solche Fälle natürlich nicht vor. Wer abgeschoben wurde, hat versucht, das Aslyrecht zu mißbrauchen. Punktum. Und die hohe Zahl dient obendrein noch einem pädagogischen Zweck. Die Abschiebungen, bilanzierte Innensenator Heckelmann (CDU), seien „zugleich ein Signal an die Herkunftsländer, daß sich unberechtigte Anträge und hohe Geldzahlungen an Schleuserbanden nicht mehr lohnen“. Ähnlich pädagogisch feierte im August 1962 Walter Ulbricht das erste Jubiläum des Mauerbaus. Bei einer Betriebsversammlung der Narva sagte er, daß der „antifaschistische Schutzwall ein Signal an die kapitalistischen Staaten“ sei, den Aufbau des Sozialismus durch „Menschenhandel“ nicht zu behindern. Im Westen heißen die Menschenhändler „Fluchthelfer“, und sie kassieren von den Grenzübertrittswilligen viel, viel Geld. Anita Kugler
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