■ Kommentar: Papiertiger
Die Atomlobby hat sich um die deutsche Sprache verdient gemacht. Aus Atomkraft wurde Kernenergie, aus Atommüllagern wurden Entsorgungsparks. Und die Entwicklung neuer Atommeiler heißt jetzt, dank Vahrenholt, Sicherheitsforschung. Atomforschung nennen wir ab heute Atomausstieg.
Die babylonische Sprachverwirrung kann die Fakten nicht verdecken: Mit der Entwicklung verbesserter Atomreaktoren versucht die Lobby, die strahlende Energiegewinnung politisch wieder durchsetzbar zu machen. Die HEW sind dabei.
Selbst wenn sich durch diese Forschung Erkenntnisse für die Sicherheit bestehender Atomanlagen gewinnen ließen: Mehr als ein Nebeneffekt ist das nicht - das Ziel ist das Comeback des Atom. Und: Es ist schon kurios, wenn die HEW behaupten, die neue Atomforschung wäre notwendig, um die Altanlagen sicher zu machen. Hat uns derselbe Stromversorger doch immer versichert, deutsche Atomanlagen seien absolut sicher. Sicher, sicherer, sichererer - die Sprache wird dehnbar.
Erinnern wir uns: Als der Senat die Änderung der HEW-Satzung durchsetzte, glaubte niemand daran, daß die Atommeiler schnell vom Netz gehen würden. Der Wert der Novelle, so aufrechte Sozialdemokraten seinerzeit, liege darin, daß sich die HEW nicht mehr „an Kernforschungsprojekten oder gar an neuen Atommeilern beteiligen“ könnten. Fritz Vahrenholt hat uns eines Besseren belehrt. Ist der Ausstiegs-Traum schon ausgeträumt, versuchen wir wenigstens die Sprache zu retten. Und nennen deshalb die HEW-Ausstiegssatzung ab heute nur noch Papiertiger.
Marco Carini
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