■ Kommentar: Über den Durst
Sie trinken gern mal einen über den Durst um sich breit zu machen: die Bierbrauer von Holsten. Gerade haben sie gegenüber dem Brauerei-Gelände das „Holstenhaus“ errichtet, indem noch mehr als ein Drittel der Büroräume leerstehen, da dürstet es die Brauerei-Manager schon nach einem weiteren kräftigen Schluck aus der Pulle: Neue Lagerkeller müssen her, die wohnlichen Altbauten, die da im Wege stehen, werden kurzerhand weggespült. Damit Holsten bloß niemals auf dem Trockenen sitzt.
Daß ein expansionsdurstiger Konzern an allen Gläsern nippt, die ihm dargereicht werden, kann dabei – nüchtern betrachtet – kaum verwundern. Skandalös aber ist, wie standortbesoffen Hamburgs PolitikerInnen sind; daß sie regelmäßig ins Delirium verfallen, wenn ein Großunternehmen an ihre Türen klopft. Es ist wie in jeder guten Wirtschaft: Der solvente Gast wird bevorzugt bedient, jeder Wunsch wird ihm von den Augen abgelesen. Ein Bebauungsplan nach Art des Hauses? Kommt sofort! Die Wohnungen, die dem Expansions-Rausch im Wege stehen, dürfen natürlich auf Kosten des Hauses mitgeschluckt werden. Eine Runde für die Holsten-Manager!
Für die betroffenen MieterInnen ist da schnell Hopfen und Malz verloren. Sie müssen die Zeche zahlen, wenn die immerdurstigen Brauer zu tief ins Glas schauen. Doch wenn die MieterInnen klaren Kopf bewahren, dürften die Holsten-Manager bald recht verkatert sein. Bestehen sie auf ihrem Wohnrecht, können sie den Erweiterungsplänen den Hahn zudrehen. Die PolitikerInnen jedenfalls werden die bedrohten Häuser nicht retten. Geht es um Holsten, herscht Filmriß vor: Wohnungsnot? Nie gehört! Marco Carini
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