■ Kommentar: Geld ist Politik
Zugegeben: Der Einfluß der Hamburger Bürgerschaft auf das Haushaltsgebaren des Senats war – Verfassung hin, Bürgerinteressen her – noch nie besonders groß. Fast jeder deutsche Stadtrat und fast jedes deutsche Landesparlament machen von ihrem höchsten Recht weit kräftiger Gebrauch. Aber was sich die SPD-Bürgerschaft am vergangenen Wochenende in Sachen Senatshörigkeit leistete, ist selbst für Hamburger Verhältnisse beispiellos.
Fünf Stellen für Umweltverbände und ein paar hundert Meter Radfahrstreifen – fraglos wegweisende Merkmale sozialdemokratischen Parlamentsfleißes. Noch schöner das „Kernthema“ des Wochenendes: Die Parlamentarier bitten den Senat, er möge ihnen doch im nächsten Jahr mal verraten, was die Stadt in Sachen ÖPNV, Künstlerateliers, Kinderbetreuung und Umweltberatung denn leiste. Gute Fragen – das hätten wir auch schon lange gern gewußt. Aber ist dies parlamentarisches Kontrollieren und Mitgestalten von Regierungsarbeit?
Zugegeben: Die braven SPD-Abgeordneten müssen sich die Neuheiten der Haushaltspolitik erstmal reinziehen. „Output-Orientierung“, „Produktinformation“, „Globalisierung, Flexibilisierung, Budgetierung“ – mein Gott, das will alles richtig verstanden sein. Zugegeben auch: Die Reformen in der Steuerung der städtischen Ausgabenpolitik sind erste Trippelschritte auf dem richtigen Weg. Aber muß die Regierungsfraktion da gleich in demutsvoller Ehrfurcht vor Senat, Fraktionsspitze und Verwaltung erstarren?
Sie kann wohl leider nicht anders. Das ist nicht allein blinde Voscherauhörigkeit, sondern schlicht auch Mangel an Qualität: Wer politische Initiative, Kreativität und finanzpolitischen Sachverstand sucht, sollte sich lieber nicht an die SPD-Fraktion wenden. Das Ergebnis ist freilich auch ein Stück Verlust von parlamentarischer Demokratie. Denn: Verzicht aufs Mitbestimmen beim Geld ist ein Verzicht aufs Mitbestimmen bei der Politik. Florian Marten
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