Kommentar: Düstere Aussichten
■ Wenn der Terror sich breitmacht
Es geht damit los, daß der Müll nicht mehr von den Straßen geräumt wird... Man muß Hans Magnus Enzensbergers düstere „Aussichten auf den Bürgerkrieg“ nicht teilen. Man kann seinen Kulturpessimismus überzogen finden. Aber ganz entziehen kann man sich kaum: Der Zerfall der Gesellschaft kündigt sich im Kleinen an. Mit Rücksichtslosigkeit, mit Gewalt, mit der Angst der Individuen vor der Gewalt der Welt, die sie ihrerseits gewalttätig macht. Zivilisatorische Errungenschaften erodieren vor aller Augen, und Ratlosigkeit macht sich breit. Am Ende: Jeder gegen jeden. Bürgerkrieg.
Man muß Enzensberger nicht folgen, aber wer spürt keine Beklemmung bei der Nachricht, daß der Öko-Schlachter Groth nach Monaten der Auseinandersetzung resigniert hat. Groth gibt auf, weil er die Bedrohung durch eine Handvoll TieraktivistInnen nicht mehr aushält. Groth gibt auf, weil er die Zeche für deren Aktionen zu zahlen hat, er allein. Und Groth gibt auf, weil die hitzigen Debatten nach den Silvesterkrawallen, sein Mut, sich den Angreifern zu stellen, nicht dazu geführt haben, daß das aufgehört hätte. Ungerührt vom Schicksal dieses einzelnen Menschen, ungerührt davon, daß eine Existenz zerstört wird, haben sie einfach weitergemacht. Und gewonnen. Verloren hat zuerst Matthias Groth. Verloren hat aber auch die Stadt. Wir. Wir haben ihn nicht schützen können. Düstere Aussichten. Jochen Grabler
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