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■ KommentarSeefahrt ist tot

Kaiser Wilhelm – der mit dem Bart – wußte, worauf es ankommt: „Seefahrt tut not.“ Seine Politenkel im wieder einen Deutschland sind ganz anders drauf: Sie lassen die nationale Flagge niederholen und freuen sich sogar, wenn es karibische Pirateninseln wie Antigua – heute eine der größten Schiffahrtsnationen – oder Barbados sind, welche den deutschen Warenexport verbilligen helfen.

Der Seemannsberuf hat als erster Folgen und Formen eines gnadenlosen Dumpings von Löhnen und Arbeitsbedingungen erlebt, welche die Globalisierung der Weltmärkte zu einer Verelendungsspirale auch für die reichen Länder macht.

Doch ist dieser Prozeß keineswegs zwangsläufig, auch wenn Hamburger Politiker wie unser aller Bürgermeister Henning Voscherau glauben, im Gleichklang des Arbeitsplatzexports von Schwarzkopf und Colgate, Airbus und Hapag-Lloyd müsse eine zwingende ökonomische Logik stecken. Denn: Bei allen diesen Unternehmen haben Management und Politik versagt – der kreativen Bereitschaft von Betriebsräten und Gewerkschaften zu pfiffigen Kostensenkungsstrategien zum Trotze.

Dabei liegen aussichtsreiche Lösungswege längst auf der Hand: Ein aufkommensneutraler Umbau des Steuersystems weg von den Lohnnebenkosten hin zur Belastung von Umweltmedien und Energie; die Dezentralisierung der Tarifverhandlungen und ein neues Finanzierungsgerüst für die Sozialversicherungen, welches Freiberufler und Beamte erstmals wirklich einbezieht, sind notwendige Schritte, um zu verhindern, daß aus Hamburg eine Arbeitsplatzfreie und Ex-Hafenstadt wird.

Oder anders formuliert: Kaiser Wilhelm, der einst die Sekt-steuer einführte, um den Kriegsschiffsbau zu finanzieren, würde heute vehement für die Einführung von Ökosteuern kämpfen, um so den deutschen Seemann vor dem Aussterben zu bewahren. Florian Marten

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