■ Kommentar: Partei bei Fuß
Die tiefe Sinnkrise der Sozialdemokratie hat endlich ein Ende gefunden. Am samstäglichen SPD-Parteitag zu Hamburg kam Licht ins Dunkel, denn es ist doch noch deutlich geworden, warum es die SPD auf der Welt gibt: zu Studienzwecken. Ganze Generationen von werdenden PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen können anhand der hanseatischen Sozialdemokratie untersuchen und lernen, wie man eine Parteibasis dazu bringt, bei Fuß zu gehen statt nach links oder rechts an der Leine zu zerren.
Rudolf Scharping wird, so berichten gut informierte Kreise, bei den Mannen der Hamburger SPD-Führungsriege in die Lehre gehen. Denn Bürgermeister Henning Voscherau und seinem Team ist es bekanntlich nicht nur gelungen, sich euphorische JaSager in die Regierung zu holen, sondern auch, den hauseigenen Sozis zu soufflieren, was sie der Führungsetage an politischen Richtlinien vorgeben sollen.
„Gut gebrüllt, Parteibasis“, konnte man am Ende des Parteitags den unteren Rängen auf die Schulter klopfen. Klappern gehört schließlich zum demokratischen Handwerk. Hauptsache, bei der Abstimmung weiß dann ein jeder wieder, wann er im Sinne der Sachzwänge und zum Wohle der Deutschen sein Ärmchen zu heben hat. Schließlich gilt es mit den angestaubten Visionen von gestern und den halbherzigen Reformen von heute den Machterhalt von morgen zu sichern.
Polizeiskandal? Atomausstieg? Einwanderungspolitik? Wer wird denn bei dem bißchen Kompromiß gleich an die CDU denken? Kohl ist außerdem nicht so zart wie uns Henning. Und nicht so sensibel wie Wrocklage. Kohl kommt auch verbal nicht so schnell auf den Punkt wie Finanzsenator Ortwin Runde. Alles in allem sind Ähnlichkeiten der SPD mit anderen schnarchnasigen, führungsorientierten und status quo-erhaltenden Altherrenparteien über und unter der Fünf-Prozent-Marke rein zufällig und nicht beabsichtigt. Silke Mertins
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