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■ KommentarApokalypse not now

Nach dem Inferno von Tschernobyl beschloß Hamburgs SPD 1986 den Atomausstieg. Freilich: Alle konkreten Ansätze unterblieben; nun sollen sogar die HEW verkauft werden. Mit ungebrochenem Mut schleuderte dafür jetzt der frischgekürte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier der Weltöffentlichkeit entgegen, die SPD halte am „Ziel einer Energieversorgung ohne Kernenergie“ fest. Bloße Worte? Nein, Nein: Eine Spendenbüchse für Tschernobyl-Opfer ging herum, um „wenigstens materiell ein wenig helfen zu können“.

Politik bizarr: Hehre Ziele auf Papier, das Gegenteil in der Praxis, Spendenbüchsen für die Opfer – ein Grundprinzip sozialdemokratischer Politik in Hamburg. Weitere Beispiele gefällig?

Bezirksverwaltungsreform: Voscherau ruft die Regierungskrise aus, fordert harte Hand in schweren Zeiten. Als die halbtote Statt Partei aufmuckt, die schwachbrüstige SPD-Basis mosert, fällt Voscherau um. Und vermarktet dies umgehend als Beweis von Führungsstärke.

Finanzen: Obwohl unter seiner Regentschaft die Stadtschulden explodierten wie nie, stilisiert sich der Stadtchef als Retter vor den apokalyptischen Reitern Diktatur und Verelendung.

Verkehrspolitik: Hamburg plant den Transrapid, baut Autobahnen und blockt die Stadtbahn. Der kuschelige SPD-Parteitag beschließt wieder mal das Gegenteil, wohl wissend, daß dies im Senat keinen juckt.

Liebe GenossInnen: Ob hier Worte und Taten nicht doch ein bisserl weit auseinanderklaffen? Vielleicht ersetzt eine Spendenbüchse für Tschernobyl eben doch nur bei Parteitagsdelegierten eine zukunftsfähige Energiepolitik. Florian Marten

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