■ Kommentar: Zufall Einzelfall
Hätte es noch eines Beweises bedurft, der Prozeß gegen den Polizeibeamten Mike Sch. würde ihn liefern. Fast alle im Rahmen des Hamburger Polizeiskandals erhobenen Vorwürfe finden sich in dem Verfahren wieder.
Mißhandlungen gegen Schwarzafrikaner auf der Hauptbahnhof-Wache, die zumindest ein Beamter eher als Regel denn als Ausnahme darstellt, offener Rassismus und abgesprochene Aussagen, die vernebeln und verheimlichen sollen. Prügelnde Beamte ohne die Spur eines Schuldgefühls und Kollegen, die schulterzuckend zuschauen und schweigen.
Daß ein Beamter die Mauer des Schweigens nur durchbrach, weil er aus den Widersprüchen, in die er sich bei der ersten Vernehmung verwickelt hatte, nicht mehr herausfand, läßt erahnen, wie vieler glücklicher Zufälle es bedurfte, um zumindest diesen „Einzelfall“ strafrechtlich zu verfolgen. Daß weder der Zeuge noch der Angeklagte verstehen, warum sie nun hart bestraft werden (sollen), läßt erahnen, wie normal die nun gerichtsbekannten Vorfälle in der polizeilichen Praxis waren – die Täter wollen oder können sich nur als Opfer begreifen.
Ob der vielbeklagte Corpsgeist, eklatante Mängel an der Aus- und Fortbildung oder eine jahrelang nicht existierende Kontrolle polizeilicher Aktivitäten und Nicht-Verfolgung polizeilicher Übergriffe die Wurzel dieser Geisteshaltung sind, wird sich an diesem Fall nicht klären lassen. Deutlich wird aber, daß – wenn überhaupt – nur eine umfassende Polizeireform den offensichtlichen Fehlentwicklungen gegensteuern könnte.
Die aber ist noch immer nicht in Sicht. Marco Carini
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