■ Kommentar: Einzeltäter
Der gestern begonnene Prozeß um die illegale Entsorgung von chemisch verseuchten Holzabfällen aus dem Hause Shell wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ignoranz großer Industrieunternehmen gegenüber elementarsten ökologischen Standards, aber auch auf die Lücken und Tücken einer windelweichen Umweltgesetzgebung.
Schon daß ein Großkonzern wie Shell es jahrelang nicht für nötig befand, im eigenen Haus Fachleute für die Entsorgung der eigenen Giftabfälle zu beschäftigen, erscheint kaum vorstellbar.
Doch warum auch: Kontrollämter wie die Umweltbehörde verfügen weder über das Personal noch über die rechtlichen Möglichkeiten, dubiosen Mülldeals auf die Schliche zu kommen. Und sollte eine illegale Müllschieberei ausnahmsweise einmal auffliegen, lassen sich die Strafgelder allemal aus der Portokasse der Unternehmen zahlen, die ihre Giftfrachten möglichst billig, möglichst schnell entsorgt haben.
Dubiose Müll-Mafiosi haben da ein leichtes Spiel: Denn nur wer billig entsorgt, hat bei den Großunternehmen eine Chance, lukrative Müllfrachten verklappen zu dürfen. Die Allianz von Industrie, Politik und Verwaltung befördert solch kriminelle Energien. Den im Shell-Prozeß Angeklagten trifft, mag man seinen Ausführungen folgen, noch die geringste Schuld. Doch gerade wo es strukturelle Ursachen gibt, bürdet man die Verantwortung für Umweltverbrechen „Einzeltätern“ auf. Andernfalls müßte sich Umweltpolitik ja womöglich ändern.
Marco Carini
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