■ Kommentar: Fatale Scheindebatte
Es war ein Zufall: Als gestern die CDU-Sozialpolitikerin Annelies Herrmann eine intensive Bekämpfung des Mißbrauchs von Sozialleistungen forderte, gab die Polizei die Festnahme einer Gruppe von Bosniern bekannt, die mit gefälschten Papieren zu Unrecht Sozialhilfe kassiert haben.
Doch die Tatsache, daß es vereinzelte kriminelle Betrüger gibt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier wieder einmal eine Scheindebatte geführt wird. Auf zwei Prozent schätzt Herrmann den Anteil der Sozialhilfeempfänger, die unberechtigt Sozialhilfe beziehen. Sie beruft sich hierbei nebulös auf „eine Konferenz der Bezirke im vergangenen Jahr“. So dürftig die Datenlage, so fatal sind die Auswirkungen der Debatte. Einer ganzen Bevölkerungsgruppe, die zu weiten Teilen wegen Arbeitslosigkeit auf die dürftige Sozialhilfe angewiesen ist, wird das Mißtrauen erklärt. Durch die Mißbrauchsdebatte wird eine ohnehin schon stigmatisierte Gruppe auch noch dem pauschalen Verdacht ausgesetzt, Lügner und Betrüger zu sein.
Auch die Rezepte, die die CDU-Politikerin vorschlägt, sind heiße Luft. Das meiste führen die Sozialämter bereits durch. Und der Vorschlag, nach Neuköllner Vorbild einen internen Prüfdienst einzurichten, der nach Sherlock-Holmes-Manier Mißbrauchsfälle aufspürt, grenzt schon an Bespitzelung von Antragstellern. Dorothee Winden
siehe Berichte auf Seite 22
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