Kommentar: Feigheit
■ Bremen läßt Deserteure im Regen stehen
Still, leise und klammheimlich hat der Bremer Senat die Seiten gewechselt. Jahrelang hatte Bremen mit hohem Anspruch an politische Moral das Unrecht angeprangert, das den Deserteuren der Nazi-Wehrmacht angetan wurde.
Die als einfache Soldaten mitgemacht hatten bei den Eroberungskriegen der Nazi-Wehrmacht, die weggeschaut hatten und mitgeschossen, wurden in Deutschland entschuldigt und rehablitiert. „Sie mußte ja“ lautet die Unschuldslegende für die Soldaten der Deutschen Wehrmacht. Die Deserteure beweisen, daß dies so einfach nicht stimmt.
Diese Wahrheit der Deserteure wird verdrängt mit immer derselben Ausrede: Es könnte einer darunter sein, der keine hehren moralischen Motive hatte, sondern aus schlichter Feigheit beim Krieg der Nazis nicht mehr mitmachen wollte! Aber wer fragt die Soldaten, ob sie aus hohen Motiven mitmachten, als sie auf dem Balkan mordeten, Polen besetzten oder Stalingrad angriffen? Die Feigheit derer, die desertierten, steht immer noch meilenweit über der Feigheit derer, die sich nicht trauten, sich der Kriegsmaschinerie zu entziehen und nur deshalb mitmarschierten.
Der Bremer Senat hatte übrigens nicht einmal den politischen Mut, den überlebenden Deserteuren zu sagen, daß er seit Dezember 1996 nicht mehr für ihre Rehabilitierung eintritt. Klaus Wolschner
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