■ Kommentar: Nur herumgedoktert
Mit schöner Regelmäßigkeit wird die Ghettobildung und Verslumung in zahlreichen Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus beklagt. Besserverdienende zögen weg, Sozialhilfeempfänger, bei denen das Sozialamt die Miete übernimmt, folgten, die soziale Mischung sei in Gefahr. Und mit ebenso schöner Regelmäßigkeit wird Abhilfe verlangt. Weg mit der Fehlbelegungsabgabe heißt es dann und freier Zugang zum sozialen Wohnungsbau auch für Normal- und Besserverdienende.
Doch hängen hier Problem und Lösung tatsächlich zusammen? Namentlich mit der Forderung nach einer generellen Erhöhung oder Abschaffung der Einkommensgrenzen wird der Eindruck erweckt, als läge das Problem des sozialen Wohnungsbaus in seiner Unzugänglichkeit für Normalverdiener. In Wirklichkeit jedoch sind das Problem nicht die niedrigen Einkommensgrenzen, sondern die hohen Mieten. Mieten von 12 bis 15 Mark warm pro Quadratmeter können sich, so zynisch das klingt, im Grunde nur noch Sozialhilfeempfänger leisten, denen das Bezirksamt unter die Arme greift. Normalverdiener und Besserverdienende haben in diesem Preissegment dagegen die Qual der Wahl. Und die fällt nicht allzu häufig für die Gropiusstadt oder das Märkische Viertel aus. Dem wird man auch mit einer Erhöhung der Einkommensgrenzen kaum beikommen können. Tatsächlich verweist das Herumdoktern mit Abgaben und Einkommensgrenzen einmal mehr auf die generelle Reformnotwendigkeit des sozialen Wohnungsbaus. Dazu gehören einkommensabhängige Mieten ebenso wie die Sicherung der Belegungsbindung für die älteren und noch immer preiswerten Bestände. Uwe Rada
Bericht Seite 18
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