■ Kommentar: Milliardendiebstahl
Beim Streit um den Elbtunnel geht es, so erscheint es vielen, hauptsächlich um den Streit zwischen Autofans und Ökologen. Ähnlich dem Krach um den Transrapid: Hier prügeln sich, so behauptet nicht nur Voscherau, Fortschrittstechniker mit ökologisch verbrämten Eisenbahnnostalgikern.
Falsch: In beiden Fällen geht es einzig und allein um den Griff in die Staatskasse. Voscherau and friends wollen Banken, Bauindustrie und – beim Transrapid – auch Siemens und Thyssen zu Milliardengeschäften auf Kosten des Steuerzahlers verhelfen. Gesetzeslücken werden dazu genutzt, dem Staat und seinen BürgerInnen rund 20 Milliarden Mark abzunehmen.
Eine Einschätzung, die selbst feinste rechtskonservative Kreise teilen, die antikapitalistischer Schmährede gewöhnlich abhold sind:
Sowohl die Spitzenbeamten von Theo Waigels Bundesfinanzministerium wie auch der Bundesrechnungshof oder selbst der technikverliebte deutsche Verkehrswissenschafts-Papst Gerd Aberle schütteln bei Elbtunnel, Privatfinanzierung und Transrapid nur entsetzt die Häupter. Ihre Argumente bestechen:
Warum Griff in die Staatskasse? Ganz einfach: Beide Projekte sind verkehrspolitisch absolut sinnlos. Die 4. Röhre könnte nicht einmal die heutigen Staus gänzlich beseitigen, würde aber noch zusätzlichen Verkehr anziehen. Allein intelligentes Verkehrsmanagement und Verkehrsvermeidung im Elbtunnel (beste Lösung) hülfe. Soll die Blechlawine aber unbedingt zunehmen, dann brächte nur eine westliche bzw. östliche Umfahrung Hamburgs etwas Abhilfe. Und der Transrapid ist nicht schneller, aber uferlos teurer und später dran als die Bahn, die schon ohne kostspieligen Ausbau per Neigetechnik-ICE in 90 Minuten Hamburg Hauptbahnhof mit Berlin Zoo verknüpfen könnte.
Wenn die Milliarden also keinen verkehrspolitischen Sinn haben, bleiben als Entschuldigung für die Politik nur Dummheit – die wollen wir Voscherau aber nicht unterstellen – oder eben andere menschliche Triebkräfte: Und da drängt sich uns wie unseren rechtskonservativen Meinungsfreunden der zentrale Verdacht auf, es ginge allein um Geld und Beamtenbequemlichkeit: Mit fremdem Geld um sich schmeißen, sich Freunde bei Banken und Wirtschaft machen, den Eindruck energischer Verkehrspolitik vortäuschen – all dies ermöglicht der milliardenschwere Griff in unser aller Taschen.
Was bleibt, ist der schüchterne Ruf: Haltet die Diebe!
Florian Marten
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