Kommentar: Noch kein Krieg im Kosovo
■ Kann nur noch eine Intervention das Schlimmste verhindern?
Die Lage im Kosovo ähnelt jener, die vor dem Krieg in Bosnien herrschte. Noch gibt es zwar lediglich Provokationen und Schießereien mit drei, fünf oder sieben Toten. Das ist noch kein Krieg. Und doch spüren fast alle, daß nach all den Jahren des passiven Widerstandes gegen Serbien eine gewaltsame Auseinandersetzung unausweichlich wird. Wenn, ja wenn es nicht zu einer politischen Lösung kommt.
Doch wie soll diese aussehen? Für die albanische Bevölkerungsmehrheit ist das Leben in dem von Serbien aufgezwungenen Apartheidstaat unerträglich geworden. Angesichts der täglichen Unterdrückungen wollen und können die Menschen nicht mehr so weitermachen wie bisher. Die Unabhängigkeit des Landes wird gefordert, die äußerste Kompromißlinie stellt der Status einer autonomen Provinz in Restjugoslawien dar – jedoch nur dann, wenn die internationale Gemeinschaft als eine Art Protektor auftritt.
Für den jüngsten Vorschlag der serbischen Opposition, das Land aufzuteilen, haben die Kosovoalbaner nur Spott übrig. Denn in ihm zeigt sich, daß die serbische Seite nicht an den früher so hochgehaltenen Kultstätten der orthodoxen Kirche interessiert ist, sondern an den Bodenschätzen, dem Vorkommen an Kohle, Erzen und Erdöl. Daß dann Hunderttausende von Menschen umgesiedelt werden müßten, ist für die Albaner nicht hinzunehmen.
Manche Kräfte in Serbien hoffen noch auf den Erhalt des Status quo. Andere setzten auf die offene Konfrontation, „um das Problem für alle Zeiten zu erledigen“. Der hochgerüstete Sicherheitsapparat aus Armee, Polizisten und Spezialeinheiten gibt bislang Rückhalt für beide Optionen. Die Morde der Untergrundorganisation UCK, die anstehenden Demonstrationen von Zehntausenden von albanischen Jugendlichen und die geplanten (Untergrund-)Wahlen bieten jedoch viele Möglichkeiten für Extremisten beider Seiten, die offene Konfrontation zu provozieren.
Also bleibt nur die Aktion von außen. Die diplomatischen Mittel, die deutsch- französische Initiative oder die US-Vermittlungsbemühungen, reichen nicht mehr aus, um einen politischen Kompromiß herbeizuführen. Weder die USA noch die Staaten der EU sind bereit dazu, offen als „Protektoren“ aufzutreten. Dazu müßte man Nato- oder UN-Truppen ins Land bringen. Wer aber ist in der Lage, präventiv zu handeln? Ich fürchte, niemand.
Erich Rathfelder Bericht Seite 10
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