■ Kommentar: Erst mal einen durchziehen
Wer schon einmal Haschisch geraucht hat, weiß, daß ein Joint so manche Party kaputtmachen kann. Die Gäste schlaffen dann ein bißchen ab und tendieren dazu, den Kühlschrank leerzufuttern. Die positive Kehrseite: Milde lächelnd sitzt man da und überschaut das Leben in aller Ruhe. Diesen Gemütszustand hätten wir Bausenator Klemann gewünscht, bevor er die Hanfparade im Tiergarten untersagte. Dann würde der Senator merken, welch saublöde Argumente er verwendet. Die Hanfparade sei kommerziell, weil Verkaufstände aufgebaut werden sollen. Und das, so Klemann, vertrage sich nicht mit dem Charakter eines politischen Aufzuges. Was bitte, ist denn bei der Love Parade los, der zur Geldmaschine gewordenen Party? Selbstverständlich fließen auch dabei die Getränke aus den kommerziellen Zapfhähnen gleich hektoliterweise. Nicht unter der Regie der Veranstalter freilich, doch der Hanfparade eine derartige goldene Brücke zu bauen, kommt für den Senator nicht Frage.
Während Musikgruppen laut Klemann den „Rahmen der Hanfparade sprengen“, dürfen bei der Liebesdemo die Techno- DJs ihre Bässe ungestört dröhnen lassen. Neu wäre auch, daß die Kapelle beim Großen Zapfenstreich am Brandenburger Tor, den der Senator befürwortet, ihre Instrumente zu Hause läßt. Mit der Entscheidung gegen die Hanfparade hat jemand kraft seiner Machtfülle dekretiert, was er höchst subjektiv für gut hält: unkritische Volksbelustigung, die mit dem Konsum größerer Mengen alkoholischer Drogen einhergeht. Empfehlung an den Senator: Ziehen Sie das nächste Mal einen durch, und überdenken Sie die Sache ganz in Ruhe. Hannes Koch
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen