Kommentar: Neuer Schwung?
■ Nordirland: Der Nobelpreis kann den Friedensprozeß fördern
Daß die Waffen nach 30 Jahren Krieg und mehr als 3.300 Opfern in Nordirland schweigen, ist wohl Grund genug, den Friedensnobelpreis an John Hume und David Trimble zu verleihen. Der eine, Hume, war schon immer Pazifist, der andere, Trimble, ist ein geläuterter Neofaschist, der an den Runden Tisch geschubst werden mußte. Daß er trotz aller Kritik aus den eigenen Reihen an seiner Verhandlungsbereitschaft festhielt, verdient Anerkennung. Denn „Kompromiß“ klang in den Ohren seiner Vorgänger stets wie ein Schimpfwort. Das gilt heute noch für viele Unionisten.
Wenn der Nobelpreis auch eine praktische Bedeutung haben soll, dann ist Trimble nun gefordert: Mit dem Rückenwind des internationalen Prestiges könnte er endlich sein Beharren auf Herausgabe der IRA-Waffen aufgeben, was seit Monaten jede Bewegung im Friedensprozeß blockiert – zumal diese Haltung dem britisch- irischen Abkommen vom Karfreitag widerspricht, in dem von Abrüstung binnen zwei Jahren die Rede ist.
Natürlich glaubt Trimble nicht im Ernst, daß der Konflikt mit der Ausmusterung der IRA-Waffen gelöst wäre. Seine Haltung wird von den Gegnern des Friedensprozesses auf unionistischer Seite diktiert, allen voran der rechtsradikale Pfarrer Ian Paisley. Dabei sind Hunderttausende von Waffen legal in den Händen von Unionisten und Loyalisten, wie Paisley demonstriert hat, als er aus Protest gegen ein früheres anglo-irisches Abkommen mit seinen Anhängern waffenscheinschwenkend auf einen Berg stieg.
Paisleys Sohn, der ebenfalls Ian heißt und wie der Vater denkt, meinte gestern, das Nobelkomitee habe sich wieder mal als Farce entpuppt. Ein anderer Kritikpunkt ist eher berechtigt: Das Komitee scheut das Risiko, obwohl es eigentlich gar keins mehr ist. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA wurde nicht berücksichtigt, obwohl er wohl den längsten Weg zum Verhandlungstisch hatte und die meisten Prinzipien über Bord werfen mußte.
Ob der ins Stocken geratene Friedensprozeß durch den Nobelpreis neuen Schwung bekommt, bleibt abzuwarten. Wie nah die Vergangenheit noch ist, zeigt Omagh: Gestern begannen die Wiederaufbauarbeiten in der nordirischen Kleinstadt, in der vor zwei Monaten bei einem Bombenanschlag 29 Menschen ums Leben kamen. Ralf Sotscheck
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