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KommentarAngst statt Taktik

■ Verpassen Nordirlands Unionisten ihre große Chance?

Bei Nordirlands Unionisten geht die Angst um – Angst vor Veränderungen, Angst vor einer Machtbeteiligung von Katholiken jeder Couleur. Wenn sie sich in die Ecke getrieben fühlen, rasseln sie mit den Säbeln, das hat noch immer funktioniert – jedes Mal hat die britische Regierung nachgegeben. Doch diesmal könnte der Erpressungsversuch zum Eigentor werden: Sorgen die Hardliner in der Unionistischen Partei dafür, daß der gemeinsame Lösungsvorschlag der britischen und irischen Regierung abgelehnt wird, verlieren sie ihr ersehntes Regionalparlament, das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 wäre Makulatur. Das käme der Führung von Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, zupaß.

Vor lauter Furcht verkennen die Unionisten die Tatsache, daß sie den Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams in eine Ecke getrieben haben, aus der er ohne ihre Hilfe nicht mehr herauskommt. Zum ersten Mal in der Geschichte seiner Partei hat Adams anerkannt, daß die IRA abrüsten muß. Das käme ihrer Auflösung gleich, denn eine Untergrundarmee ohne Waffen ist so überflüssig wie ein Skatklub ohne Karten. So muß er darauf hoffen, daß die Unionisten den Regierungsvorschlag ablehnen – weil er selbst es nicht mehr kann.

Sicher, ein Guerillakrieg ist keine Alternative in Nordirland, aber Adams hat bei den Verhandlungen der letzten Jahre ein Prinzip ums andere geopfert, ohne dafür substantielle Gegenleistungen erhalten zu haben. Bisher genoß er bei der Basis einen erheblichen Vertrauensvorschuß, doch jetzt macht sich dort die Erkenntnis breit, daß man jahrelang belogen worden ist. Immer wieder betonte Adams, daß man Kompromisse eingehen müsse, aber der entscheidende Punkt sei, daß die Entwaffnung der IRA nicht und niemals in Frage käme. Dank dieser Versicherung schluckte die Basis so manche bittere Pille, nun ist sie zum Bumerang geworden.

Unterschreiben die Unionisten den Regierungsvorschlag, dann ist Sinn Féin dazu verdammt, die britische Herrschaft in Nordirland, die man so lange bekämpft hat, als Teilnehmer an einer Mehrparteienregierung zu verwalten, während der bewaffnete Flügel eingemottet wird. Das werden viele Mitglieder beider Organisationen nicht hinnehmen, eine Spaltung scheint in diesem Fall unausweichlich. Noch nie waren die Unionisten einem Sieg über Sinn Féin und IRA so nahe ... Ralf Sotscheck

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