■ Kommentar: Notbremse Zu Riesters Rentenplan gibt es keine sinnvolle Alternative
Arbeitsminister Walter Riester hat sich dem Protest von Gewerkschaften und Sozialverbänden nicht gebeugt. Sein Plan, die Renten in den kommenden zwei Jahren nur um die Inflationsrate steigen zu lassen, wird heute dem Bundeskabinett vorgelegt. Die Gewerkschaften mögen fluchen, damit betreibe Riester eine Rentenpolitik allein nach Kassenlage. Das stimmt, aber ist Riesters Plan deswegen ungerecht?
Sparen an sich ist ungerecht, Schuldenmachen auf Kosten der nachfolgenden Generation aber ebenso. Das weiß Riester, das wissen Gewerkschaften und Sozialverbände. Die Aussetzung der Rentenerhöhung ist eine Notbremse, die Walter Riester mit Bedacht gezogen hat. Dieses Einfrieren der Rente trifft jene RentnerInnen, die heute noch recht gut mit dem System fahren, weil sie für ihre eingezahlten Beiträge relativ hohe Renten bekommen – im Gegensatz zu den Rentnern von morgen. Steigende Lebenserwartung und eine abnehmende Zahl von Beitragszahlern belasten die Jungen heute mehr als ihre Eltern früher. Riesters Vorschlag tariert die ungleiche Lastenverteilung zwischen Jung und Alt aus. Wenn das Kabinett der Vorlage zustimmt, leistet es einen beachtlichen Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
Gewerkschaften und Sozialverbände sollten deshalb diese Kröte schlucken. Ihr Protest der vergangenen Tage präsentierte sich ohnehin eher blutleer. Außer kraftvollen Widerworten hatten sie nichts entgegenzusetzen. Schließlich wissen auch sie, dass die geplanten Sparrunden befristet sind und zudem nur ein marginaler Teilbereich in einer angestrebten Reform, bei der es um die Zukunft der Renten insgesamt geht. Riester will, was auch Gewerkschaften seit langem fordern: Das alte Umlagesystem, bei dem die jeweils junge Generation für die alte sorgt, muss ergänzt werden. An diesem Reformwerk müssen alle mitarbeiten. Gewerkschaften und Sozialverbände haben gestern zugestimmt, eine Expertengruppe einzurichten, um gemeinsam mit der Regierung an diesem Projekt zu arbeiten. Dies ist ein gutes Zeichen: Große Demonstrationen gegen Riesters Rentenpläne sind von ihrer Seite nicht zu erwarten. Bleibt zu hoffen, dass die Opposition über ihrem Wahlkampfgetöse nicht vergisst, dass auch sie in der Pflicht steht, sachlich über die Rente zu reden. Annette Rogalla
Bericht Seite 4
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