Kommentar zur Schulreform: Die Angst vor den Eltern
Auch die Linke will nicht am Gymnasium rütteln. Der Grund ist einfach. Es ist die Angst, bei den bildungsbewussten Wählern Stimmen zu verlieren
Für Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) ist die Gemeinschaftsschule eine Perspektive. Zusammenlegen will er jedoch nur Haupt- und Realschulen. Auch die Grünen sind für die Gemeinschaftsschule. Das Gymnasium wollen sie dennoch erhalten. Und selbst für die Linkspartei, die aus angeblich ideologischen Gründen alle Schüler gemeinsam unterrichten will, steht die Abschaffung des Gymnasiums derzeit nicht im Mittelpunkt. Der Grund dafür ist klar: es ist die Angst vor den Eltern.
Und diese Angst ist leider berechtigt. Denn Eltern wollen nur das Beste für die lieben Kleinen. Wer will ihnen das verdenken? Je früher es ihnen gelingt, ihre Kinder in die oberen Bildungsschichten der Gesellschaft zu verpflanzen, um so besser. Den erstbesten Abzweig nach oben aber bietet das Gymnasium - möglichst schon ab der 5. Klasse. Das weiß die Elterngeneration aus eigener Erfahrung. Das war schließlich schon bei den Großeltern so. Und jeder, der daran rüttelt, muss um die Stimmen bei der nächsten Wahl fürchten.
Zwar predigen Bildungsforscher schon seit der PISA-Studie die Zusammenlegung aller Schüler bis zur 10. Klasse. Denn beim gemeinsamen Lernen profitieren Schwächere von Stärkeren. Zudem bekämen Talente aus bildungsarmen Elternhäusern die notwendige Förderung und die Chance Richtung Abitur zu gehen, auch wenn ihnen das niemand zugetraut hätte.
Eltern lernstarker Kinder jedoch profitieren von diesem Fortschritt nur indirekt. Sie müssten einsehen, dass es in einer allgemein besser gebildeten Welt auch vermeintliche Eliten leichter hätten. Dafür aber wäre Überzeugungsarbeit notwendig. Und so lange die keiner leisten kann oder will, hat Zöllner Recht, dass die Gemeinschaftsschule nicht durchsetzbar ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!