Kommentar zur S-Bahn-Frage: Was Wowereit will, das gilt
Der Regierende setzt Teilausschreibung der S-Bahn durch, die Fraktion und der neue Landeschef der SPD sind dagegen. Doch diesmal könnte Wowereit sein Basta schaden.
Gerade mal zehn Tage ist Jan Stöß als SPD-Landeschef im Amt – zack –, schon verpasst ihm Klaus Wowereit die erste Klatsche. Was die Partei will, muss gelten, hatte Stöß bei seiner Wahl noch verkündet. Und sich erstaunlich deutlich festgelegt: Eine Teilausschreibung der S-Bahn dürfe es nicht geben. Jetzt beschließt der Senat genau das. Die Botschaft des Regierenden ist klar: Ein dahergelaufener SPD-Linker hat mir nichts zu sagen. Was Wowereit will, das gilt!
Im Prinzip ist das nichts Neues. Wowereit hat sich nie groß um die Positionen seiner Partei geschert. War sie mal nicht auf seinem Kurs, etwa bei der Verlängerung der A 100, verknüpfte er die Frage mit seinem eigenen Verbleiben im Amt und erzwang so die Zustimmung. Die Abwahl des Wowereit-Vertrauten Michael Müller als Landeschef war ein Ausdruck des Frusts, der sich in der Partei angestaut hatte.
Bei der S-Bahn-Frage hat Wowereit zwar nicht die Mehrheit in Partei und Fraktion hinter sich, wohl aber den Koalitionsvertrag. Den wollte Jan Stöß nachjustieren. Wowereit verhindert das – und entscheidet damit die erste Kraftprobe mit dem neuen Parteichef klar für sich – erst in zwei Jahren hat die Fraktion die Möglichkeit, die Teilausschreibung im Parlament zu kippen.
Mittelfristig wird Wowereits Ignoranz jedoch auf ihn zurückfallen. Lässt die Fraktion den Regierenden mit seinem Lieblingsprojekt der Zentralen Landesbibliothek auflaufen? Gut möglich. Vor allem aber offenbart Klaus Wowereits Vorgehen, wie sehr er sich inzwischen von seiner Partei entfremdet hat. Das kommt schlecht an – und wird sowohl die SPD als auch Wowereit Zustimmung kosten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“