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Kommentar zur FeminismusdebatteFeminismus von vorgestern

Kommentar von Manuela Heim

Wenn eine Frauenministerin keine Feministin sein will, darf sie sich über die Intervention von Alice Schwarzer nicht wundern. Dabei haben die beiden Damen so einiges gemein.

K ristina Schröder will keine Feministin sein. Weil sie sich als Frau gern weiblich anzieht, beim Sex nicht automatisch an Unterwerfung denkt und lieber ihr Glück in Kind und heterosexueller Partnerschaft findet, als aus Protest gegen das Patriarchat lesbisch zu werden. So gab sie es in dieser Woche im Spiegel zu Protokoll.

Dass die Frauen- und Familienministerin mit dieser Argumentation Alice Schwarzer auf den Plan ruft, die mit ihren ebenso schlichten Thesen dann eifrig die Vorurteile der Frau Schröder bestätigt, ist kein Wunder. Denn beide, Kristina Schröder mehr noch als Alice Schwarzer, bewegen sich mit ihren Vorstellungen von dem, was sie für Feminismus halten, auf dem Stand der siebziger Jahre. Die Weiterentwicklung feministischer Theorie und Praxis hin zu einem zeitgemäßen Begriff von Geschlechtergerechtigkeit hat Kristina Schröder schlicht ignoriert.

Dafür weiß sie aber sehr genau, dass sich mit ihrer Pauschalkritik an Thesen, die aus guten Gründen etwas aus der Mode geraten sind, leicht Zustimmung heischen lässt - nicht nur bei Frauen, die "einfach nur Frau sein wollen", sondern auch bei männlichen Wählern. Wenn die Frauenministerin aber fordert, man müsse endlich mal an die Jungs denken, die angeblich viel zu lange vernachlässigt wurden, dann wird dahinter ein politisches Programm deutlich.

Eine Quote lehnt sie strikt ab - stattdessen rät sie Frauen, doch Elektrotechnik zu studieren, wenn sie mehr verdienen wollen. Und lieber spricht sie von Jungenförderung, als sich mit männlichen Machtstrukturen zu beschäftigen. Damit macht sie klar, dass eine zeitgemäße Geschlechterpolitik von ihr nicht zu erwarten ist. Kristina Schröder verteufelt den Feminismus von vorgestern, um sich als eine Konservative von heute zu positionieren.

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6 Kommentare

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  • P
    Peter

    Der Artikel triffts so in etwa,wenn man davon absieht, dass es niemals einen Feminismus, eher einen Lesbismus gegeben hat: Frauen haben männlich einerseits und lesbisch anderseits zu sein.

     

    Der Chef, Verzeihung, die Chefin dieser Strömung, Frau Schwarzer, hängt diesem Irrsinn immer noch an.

     

    Frau Schröder ist die Anhängerin eines wirklichen Feminismus, der möchte, dass Frauen unabhängig sind; denn Unabhängigkeit ist in erster Linie eine geistige Unabhängigkeit und kann niemals unter Einwirkung ideologischer Gleichschaltung erreicht werden.

  • R
    rispe

    @milla

    vor 20 jahren jedenfalls gab es frauen die sich bewusst mit dem kopf entschlossen haben lesbisch zu leben - so absurd ist das nun auch wieder nicht

    du beweist, dass du von der jüngeren geschichte keine ahnung hast

     

    @volker

    wieweit die frauen in den 3000 jahren "mitgemacht" haben ist ein spannender gedanke, bei den hexenverbrennungen zum beispiel, da standen sicher wohl auch frauen um das feuer rum, die macht das anzuordnen aber hatten männer

  • M
    Milla

    "Aus Protest gegen das Patriachat lesbisch WERDEN" impliziert, dass da eine zuhause sitzt, mit den gegebenen Machtverhältnissen unzufrieden ist und sich denkt: So, das war's ich werde lesbisch. Was für ein hanebüchener, unüberlegter, hohlköpfiger Gedanke. Frau Schröder beweist hiermit, dass sie von der Lebensrealität der Lesben, die ja überigens auch Frauen sind, die sich also auch von ihr vertreten fühlen KÖNNTEN, keinerlei Ahnung hat und sich auch nicht für diese Lebensrealitäten interessiert. Sie hat sich mit solchen Aussagen diskreditiert.

  • H
    herbstlaub

    @Volker: Dein Eindruck, die Beseitigung patriarchaler Strukturen geschehe heute mehr oder weniger als Rache an den jetzt lebenden männlichen Mitgliedern unserer Gesellschaft, ist hoffentlich sehr sehr leise ;). Die meisten Feministinnen sind sich schon dessen bewusst, dass patriarchale Strukturen (leider!) tief in unserer Gesellschaft verankert sind und die unsere männlichen Zeitgenossen meist gar nicht bewusst oder gewollt sexistisch verhalten - eben weil ihnen das ja auch immer so vorgelebt wurde. Deswegen geht es gerade darum, solche Strukturen aufzudecken und sie so besser zur Vergangenheit machen zu können. Ich finde, das ist schon eine recht erwachsene Lösung, und so sollte moderner Feminismus auch aussehen.

  • M
    M.Gericke

    Das Suchen nach weiblicher Identität hat- zumal bei jungen Frauen- oft so einen pädagogischen Impetus. Ist die Beobachtung von einem männlichen Standpunkt aus richtig, dass Frauen erst mit Kind so richtig zu sich selbst kommen? Solche scheinen in sich irgendwie harmonischer zu sein. Ausserdem geht es prinzipiell im Leben nicht um MACHT!!- Auch nicht für Männer,viel mehr ist genau diese Unterstellung von Machtgier eine aus den siebziger Jahren.

  • V
    Volker

    "Jungenpolitik" halte ich nicht für das Schlechteste und ich finde mich dabei nicht reaktionär oder geheischt oder sonstiges. Unser aktuelles Bild von Jungen ist das von aggressiven Tunichtguten, die aber männlich sein sollen, aber auch weiblich und ausserdem irgendwann heiratsfähig und hart und was nicht noch alles. Wenn das mal nicht die Perpetuation des Patriarchats ist (Heirate und Arbeite!)! Ebenso komisch sieht das bei den Gleichstellungsbeauftragten aus, die zumeist Frauen sind (und damit Geschlechtshomogenität in einer Gruppe perpetuieren, um "mitmachen" zu können), was übrigens auch Ungleichheit bedeutet.

    Man müsste auch mal über dieses bescheuerte Gender-Mainstreaming reden, weil das eine totalitäre Implementierungstaktik ist (top-down in allen Bereichen) und auch noch im Namen der Frauen geschieht (mit dem Machttyp aber de facto gegen sie ist und sie also wieder einmal zur Umsetzung patriarchaler Strukturen benutzt - und alle schreien: JUCHU!, weil irgendwer erzählt hat, dabei ginge es Gleichheit und es wäre gut für die Frauen; dabei spaltet es eher die Gesellschaft oder: divide et impera ist der Effekt)

     

    Dass Frau Schröder allerdings nicht die geeignete Person für solche Fragen ist und ebenso Alice Schwarzer nicht, das steht ausser Frage.

     

    Manchmal habe ich übrigens den leisen Eindruck, die Beseitigung patriarchaler Strukturen geschieht mehr oder weniger heute als Rache an den jetzt lebenden Männern (und Jungs!), so als ob diese an 3000 Jahre alten Strukturen schuld wären (so als hätten die Frauen nicht auch mitgemacht) und so als würde die Abwertungs/Entwertungs/Rache-Strategie wirklich etwas bringen und eine erwachsene Lösung darstellen. Damit wird eher das Ziel der Gleichheit (oder dem Ende der Ungleichbehandlung) in weite Ferne gerückt, weil das Problem nur verschoben und ausgeweitet wird.