Kommentar zum neuen Fahrradbeauftragten: Noch lange keine Fahrradstadt
Ein Radbeauftragter allein kann keinen Mentalitätswandel herbeiführen.
Er wolle sein Ehrenamt offensiv angehen und notfalls über die Öffentlichkeit Druck machen, sagt der neue Fahrradbeauftragte des Senats. Die klaren Worte kommen nicht von ungefähr: Arvid Krenz kennt als Verkehrsplaner die Situation des Radverkehrs, er fährt aber auch seit Jahren selbst Rad in Berlin. Deshalb weiß er, dass er vor einer echten Herausforderung steht.
Modellversuche und Leuchtturmprojekte täuschen darüber hinweg, dass Radfahrer längst noch keine gleichwertigen Verkehrsteilnehmer sind. Es fehlt an einem Routennetz, auf dem Radler hürdenlos und sicher von A nach B kommen. Entlang wichtiger Verkehrsadern - etwa der Leipziger oder der Potsdamer Straße - sind die Radwege nicht durchgehend, teils sind sie in katastrophalem Zustand. An Kreuzungen werden Autofahrer in der Regel bevorzugt.
Noch schlimmer als diese Mängel ist das Fehlen von Akzeptanz. Radfahrer sterben, weil Autofahrer beim Abbiegen Vorfahrtsregeln missachten und Parkende beim Aussteigen gedankenlos die Tür aufreißen. Autos und Lastwagen halten auf Radstreifen so selbstverständlich, als ob es Parkflächen wären.
Einen Mentalitätswandel kann ein Radbeauftragter nicht erzeugen - da brauchte es mehr engagierte Akteure. Der ADAC könnte seine Mitglieder auf die Anwesenheit anderer Verkehrsteilnehmer hinweisen, Fahrlehrer könnten dem Kapitel Radverkehr mehr Gewicht geben.
Krenz will mit allen relevanten Akteuren sprechen. Gelänge es ihm ansatzweise, die unterschwellig ignorante Einstellung gegenüber Radfahrern zu ändern, hätte er Großes bewirkt.
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