Kommentar zum Nachtflug: Ein Verbot geht in Lärm auf
Das Gutachten aus dem Infrastrukturministerium Brandenburgs widerspricht den Zusagen, die die Politik den Anwohnern bisher gemacht hat.
Der Alptraum vieler Anwohner des Flughafens Schönefeld wird wahr: Offenbar sollen in Zukunft doch noch viel mehr Nachtflüge möglich sein als versprochen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatten die Regierungen von Berlin und Brandenburg darauf verwiesen, dass es zumindest nachts am Himmel über Schönefeld ruhig bleiben soll. Sie kalkulierten darauf, dass sich so der Protest der Anwohner in Grenzen halten würde.
Doch inzwischen hat die Politik die Schwachstellen in dem Urteil entdeckt. Denn es verbietet Flugbewegungen in der Nacht zwar im Grundsatz - lässt aber Ausnahmen zu. Das Gutachten im Auftrag des Infrastrukturministeriums Brandenburg legt diese Ausnahmen nun weit aus - und kommt auf bis zu knapp 100 Flüge pro Nacht. Was für eine ungewohnt großzügige Auslegung eines Verbotes!
Wundert es da eigentlich noch jemanden, dass das Gutachten erst jetzt bekannt wird - also nach Beginn des Umbaus und nach der Landtagswahl in Brandenburg? Wäre es von Anfang an klar gewesen, wie viele Nachtflüge hier möglich sein sollen, hätte es womöglich eine ganz andere Standortdebatte um den Flughafen gegeben. In der Auswahl war schließlich auch Sperenberg. Ein Umbau des ehemaligen Militärflugplatzes weit südlich vor den Toren Berlins hätte deutlich weniger Anwohner getroffen. Doch auch die Wege zum Flughafen wären dadurch viel weiter gewesen - und das war von der Politik nicht gewollt.
Noch ist das Nachtflug-Gutachten freilich nicht Realität. Wenn die brandenburgische Landesregierung das Vertrauen der Bürger nicht verlieren will, muss sie jetzt klar Farbe bekennen - und sich an bisherige Zusagen halten.
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