Kommentar zu Strauss-Kahn: Wer ist das Opfer?
Es gibt Zweifel an der Version des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers. Das eröffnet ganz neue Interpretationen des Falls Strauss-Kahn.
D er Fall des angeblich erzwungenen Oralsex des Ex-IWF-Chefs Strauss-Kahn mit einer jungen Hotelangestellten nimmt eine dramatische Wendung: Das Klischee der hart arbeitenden und unbescholtenen Alleinerziehenden hat Risse bekommen. Derzeit steht die Frau mit Herkunft aus Guinea in Westafrika eher als kriminelle Migrantin da denn als Opfer einer Vergewaltigung; und es stellt sich die spannende Frage, welche Folgen das hat.
Die Frau hat Medienberichten zufolge die Behörden über ihre Vorgeschichte belogen und nach dem Vorfall im Hotelzimmer mit einem Freund darüber am Telefon gesprochen, inwieweit sich aus dem Geschehen Geld schlagen ließe. Bis Redaktionsschluss am Freitagspätnachmittag gab es aber noch keine Informationen, aus denen sich schließen ließe, dass die Frau auch gelogen hat über den konkreten Vorfall - den angeblich erzwungenen Sex im Hotelzimmer des ehemaligen IWF-Chefs. Auf der Kleidung der Angestellten wurden Spermaspuren von Strauss-Kahn gefunden. Der 62-Jährige erklärt diese mit "einvernehmlichem Sex" - und hat damit ein mindestens so großes Glaubwürdigkeitsproblem wie das mutmaßliche Opfer.
Prozesse in den USA sind auch Schlachten um Images von Tätern und Opfern. Doch das Gericht sollte sich strikt an den Vorgang selbst halten. Falls am Ende der Vorwurf des erzwungenen Sex wegen der Ungereimtheiten rund um die Person des Opfers heruntergestuft werden sollte auf ein minderschweres Vergehen und Strauss-Kahn nur mit einer Geldstrafe belegt würde - dann wäre das eine schlechte Lösung.
Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Soziales im taz-Inland-Ressort.
Sex ist entweder erzwungen oder einvernehmlich. Es gibt kein Dazwischen. Egal, wer daran beteiligt ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader