Kommentar zu Referendums-Vorschlag: Gute Idee mit schlechten Chancen
Lieber die Menschen vorher einbeziehen als nachher Proteste beklagen? Der Vorschlag ist nicht blöd - aber man darf bezweifeln, dass er jemals realisiert wird.
W ow! Wowereit! Da hat sich der Regierende Bürgermeister ja mal weit aus dem Fenster gelehnt. Vor großen Infrastrukturprojekten, sagt Wowereit, wäre es klug, das Volk zu befragen. Und diese Idee kommt ausgerechnet von dem Politiker, der stets an vorderster Front der Volksbegehren-nicht-so-toll-Finder zu finden war.
Dennoch ist der Vorschlag nachvollziehbar. Eine Regierung will Planungssicherheit. Wenn der Bürger schon mitreden muss, dann gleich zu Beginn. Um die Details kann sich dann wieder die Politik kümmern. Das klingt gar nicht so dumm. Auch wenn es stets nur um die eine Grundsatzfrage ginge: Wollen wir das? Flughafenausbau? Autobahnverlängerung? Stadtschloss? Ja oder nein?
Die Probleme liegen auf der Hand: Meist sind Brandenburg oder der Bund mitbetroffen. Wer also soll abstimmen dürfen? Und die Bürger sind so früh kaum informiert. Wie sollen sie alle Folgen überblicken? Zudem darf so ein Referendum kein Blankoscheck für die Regierenden sein. Gerade bei Gigaprojekten wie dem Flughafen würde der Bürger gern ein letztes Wörtchen mitreden. Wowereits Vorschlag könnte daher nur mit großem Aufwand umgesetzt werden. Das heißt nicht, dass er blöd ist. Aber man darf bezweifeln, dass er jemals realisiert wird.
Immerhin: Der Wählerwille, der sich aktuell in exorbitanten Umfragewerten für die Grünen ausdrückt, setzt Klaus Wowereit in Bewegung. Das zeigt, dass sogar ganz einfache Wahlen etwas verändern können. Manchmal sogar im Vorhinein. Wow, Wahlen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen