Kommentar zu Losverfahren: Losen schafft Gerechtigkeit
Das Losverfahren für Gymnasien ist eine gute Idee, die der Senat aber noch besser vermitteln muss. Dann würde die Reform auch von den Berlinern angenommen.
D ie Mehrheit der Berliner lehnt es laut der vom Wirtschaftsrat der CDU in Auftrag gegebenen Umfrage weiterhin ab, dass Plätze an Gymnasien zum Teil verlost werden sollen - dabei ist das eine ziemlich gute Idee. Die Probleme des derzeitigen Systems sind hinreichend bekannt: Bislang entscheiden die Eltern, auf welche Schule ihr Kind kommt. Das Problem dabei ist: Eltern meinen es zwar alle gut, sie sind aber nicht sonderlich objektiv. Beschränkt wird der Elternwille nur durch die Aufnahmekapazität der Schulen. Wird eine Schule überrannt, dann gilt: Wer näher dran wohnt, ist drin.
Das Ergebnis ist bekannt: In Problemkiezen gibt es inzwischen eine Reihe von Restschulen. Dort kommen bis zu 90 Prozent aller Schüler aus sozial schwachen Familien, die von Arbeitslosengeld II oder Wohngeld leben. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit: Die Schüler machen dort deutlich seltener Abitur. Und zwar nicht, weil sie nicht das Zeug dazu hätten - sondern weil das Schulsystem ihnen die Chance dazu verbaut.
Auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich aussehen, einen Teil der Plätze an Gymnasien zu verlosen. Aber das Losverfahren hat einen großen Vorteil: Es ist blind für die soziale und ethnische Herkunft der Schüler. Es ist dabei wirkungsvoller, unbürokratischer und leichter verständlich als jedes andere Verfahren, das für eine bessere soziale Mischung an den Schulen sorgen kann. Das muss der Senat nur noch besser vermitteln - dann klappt es auch mit der Zustimmung zu der Reform.
Korrektur: In dem Kommentar wurde ursprünglich nicht erwähnt, dass die Umfrage vom Wirtschaftsrat der CDU in Auftrag gegeben wurde. Das haben wir inzwischen nachgeholt. HEI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!