Kommentar zu Koch und Hartz IV: Späße mit der Unterschicht
Schwarz-Gelb vermeidet weiter jede ernsthafte Finanzierungsfrage bei den Reformen von Hartz-IV
Wer wissen will, wie ein Sozialthema zunehmend zur Folklore und damit entpolitisiert wird, muss sich nur die aktuellen Debatten über Hartz IV anhören.
Das neueste Statement stammt vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der gern die Sozialkrawallschachtel gibt. Er fordert eine strengere Arbeitspflicht für die Empfänger von Arbeitslosengeld II. Umgehend verteidigte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Erwerbslosen und warnte davor, alle Hartz-IV-Empfänger "in eine Ecke" zu stellen. In der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" hatte der fröhliche Dauerarbeitslose Arno Dübel (53) aus Hamburg für Furore gesorgt, weil er sich offen zu seiner Arbeitsscheu bekennt. Die moralische Hierarchie unter den schuldlos Joblosen, etwa entlassenen Facharbeitern, und antriebslosen, um eine Tätigkeit zu wenig bemühten Erwerbslosen führt in der Hartz-IV-Folklore zuverlässig zu Spannungen. Darauf setzen Politiker von Union und SPD. Sie wollen langjährig Versicherten wieder länger Arbeitslosengeld I zugestehen und damit die Abstiegsängste der Mittelschicht dämpfen. Wie das gegenfinanziert werden soll, darüber wird nicht diskutiert - und das ist der Punkt.
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition, die bereits die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger im Koalitionsvertrag verabredet hat, weiß noch nicht, wie das bezahlt werden soll. Und wenn das Bundesverfassungsgericht eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder verlangt, wird das nicht mehr in diesem Jahr kommen, hat von der Leyen bereits klargestellt. Wenn aber nicht ehrlich über Geldfragen geredet wird, dann sind all die neuen Vorschläge für Abmilderungen bei Hartz IV nur ein Anbiedern bei den WählerInnen. Sich auf den Boden der Tatsachen zu begeben und seriös über Finanzierungsfragen zu reden, das ist ein zumutbarer Job. Den auch Schwarz-Gelb nicht ablehnen darf.
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