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Kommentar zu GuttenbergLob der Wissenschaft

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Merkel, Seehofer und Co. können versuchen, die Guttenberg-Affäre auszusitzen. Denn Wissenschaftler haben keine Waffen. Doch dann verlören die Regierenden ihre Autorität.

D ie Bundesrepublik Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie, in der den Parteien eine überragende Rolle zufällt. Deshalb ist es nur konsequent, wenn auch jedwede politische Affäre durch die parteipolitische Brille begutachtet wird. So wie die CDU immer auf die SPD-Ministerin einprügeln wird, wenn diese mit dem Dienstwagen durch Spanien reist, so haut die SPD konsequent auf den CDU-Landeschef, weil der Fraktionsgelder der Parteikasse zugeführt hat. Weil dieses Spiel über Jahrzehnte eingeübt ist, glaubt das politische Personal, diesem Muster auch in der Promotionsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg folgen zu können - mit erwartbarem Ergebnis: Union und FDP verfügen über die Mehrheit im Bundestag.

Nun aber stellt sich mit jedem Tag, den Guttenberg im Amt verbleibt, heraus, dass das Schema nicht funktioniert. Das liegt an der Besonderheit seiner Verfehlung: Der Baron hat das genaue Gegenteil dessen getan, was die Politik von relevanten Teilen der Gesellschaft zu Recht einfordert: die Wissenschaft voranzutreiben, neue Erkenntnisse zu gewinnen, auf dass das größte Kapital Deutschlands vermehrt wird: Bildung und Wissen.

Wenn nun mehr als 17.000 Wissenschaftler bei der Bundeskanzlerin gegen ihren Umgang mit Guttenberg protestieren und dabei ausdrücklich darauf verweisen, dass sie auch dann den Rücktritt des Ministers fordern würden, wenn der einer anderen Partei angehörte, bekommt die Politik ein Problem. Sie verliert ihre Deutungshoheit. Die Geister, die sie rief, haben sich nämlich selbstständig gemacht und fordern genau das ein, was die Politik immer von ihnen verlangt hat. Und es handelt sich bei diesen 17.000 um etwas Besonderes: Hier spricht nicht der Verband der Automatenhersteller, sondern die Elite, auf die gerade Union und FDP in ihren Sonntagsreden immer so viel Wert gelegt haben. Ihre Argumente sind stichhaltig. Wer eine Doktorarbeit offensichtlich in betrügerischer Absicht erstellt, hat ein charakterliches Defizit, das ihn nicht geeignet erscheinen lässt, eines der wichtigsten Staatsämter einzunehmen.

taz

Klaus Hillenbrand ist Chef vom Dienst bei der taz.

Nun können Merkel, Seehofer & Co. natürlich versuchen, diese Affäre auszusitzen. Die Heerschar der Doktoranden, Doctores und Professoren verfügt weder über Handfeuerwaffen, noch stellt sie eine relevante Wählermasse dar. Doch die Regierenden würden dabei eins vergessen: Sie verlören ihre Autorität.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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9 Kommentare

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  • S
    sflaris

    wer in seiner Doktorarbeit, Zitate einbaut (egal ob oder ohne Quellenangabe) schafft kein Wissen und ist somit streng genommen kein Wissenschaftler.

     

    Guttenbergs Arbeit ist das überspitzte Ergebnis einer unsäglichen Zitierpraxis. Wenn man in seiner Arbeit unbedingt auf andre Werke Bezug nehmen muss, reicht doch eigentlich ein entsprechender Querverweis (Verlinkung) aus. Wissenschaftler sollten sich zutrauen eigene Meinungen zu haben und auch zuzulassen.

     

    Was Guttenbergs Rücktritt anbelangt, soll hier das gleiche Maß wie bei andren Beamten angelegt werden. Das bloße Straffälligwerden reicht noch nicht aus, um entlassen zu werden. Vielmehr wird überprüft, ob die Straftat in Zusammenhang mit der Tätigkeit steht. Da in diesem konkreten Fall kein Bezug zu seiner Tätigkeit vorhanden ist, ist auch das Hinaustreiben aus dem Amt, überflüssig.

     

    Der Umgang mit Guttenberg hat noch einen andren faden Beigeschmack: Er wird als Vorbild dienen, wie in Zukunft mit "unbeliebten" Mitarbeitern - egal wo - umgegangen wird. Unmenschlich!!!! Armes Deutschland.

     

    Die Grünen sollten auch grün mit ihren Mitmenschen umgehen. Aber irgendwie scheint es, dass über einer tiefen Schwärze eine grüne Farbe gesprüht wurde.

     

     

    Sflaris

  • RB
    Rudi Bernhardt

    Schlimm genug,dass die öffentliche Meinung derart gedächtnisarm ist, in zwie bis drei Jahren nach Ansicht eines seriösen Wissenschaftler, uns Herr von und zu wieder beehren wird. Ich hatte die falsche Hoffnung, von seiner freiherrlichen Unerträglichkeit erlöst zu sein.

    Warum eigentlich wird uns ständig suggeriert, dass dieser übereitle titelsüchtige Adlige der Strahlestern am politischen Horizont sei. Intellektuelles Mittelmaß, sprachlich tumb, Realitätssinn gegen Null, Lebensleistung eher ergänzungsbedürftig, wenn das die Zukunft deutscher Politik ist, na denn. Der Herr von und zu tritt ab, eine neue Unzulänglichkeit wird antreten, die lächerliche Jahrhundertreform der Bundeswehr wird weitergeführt. Ohnehinn, Berlin Karawane zieht weiter, wen kümmert's.

  • S
    SWok

    Die überlaute Empörung der deutschen Wissenschaft mutet seltsam an: Wie ist es möglich, daß jemand mit "summa cum laude" bewertet wird, der eine Arbeit einreicht, die zu einem Großteil aus Plagiaten besteht? Gerade das von vielen Wissenschaftsvertretern immer wieder vorgebrachte Argument, die Wissenschaft nehme durch Herrn zu Guttenbergs Doktorarbeit Schaden, ist fast schon komisch: Der Schaden, der der deutschen Wissenschaft durch die offensichtliche Unfähigkeit von wissenschaftlichen Personen und Institutionen (hier der Doktorvater von Herrn zu Guttenberg und der Promotionsausschuß der Uni Bayreuth), ein offenkundiges Plagiat nicht als solches zu erkennen, entsteht, ist weit höher als der Schaden, den Herrn zu Guttenbergs Arbeit für sich genommen anrichtet. Auch durch den Umgang mit dem offensichtlichen wissenschaftlichen Versagen der Universität Bayreuth (nach dem Motto "Kein Fehler bei uns, alle Fehler bei Herrn zu Guttenberg") schädigt die deutsche Wissenschaft sich selbst. Wobei dieser Umgang mit dem eigenen Versagen erstaunliche Parallelen zu Herrn zu Guttenberg aufweist: Hier hat dieser wohl zu gut von der Wissenschaft gelernt...

  • JK
    Joh. Kantor

    Guten Tag!

     

    (1) Ist dem Kommentator eigentlich klar, was es bedeutet, eine andere Person leichtfertig einen Betrüger zu nennen, ohne daß dies eindeutig nachgewiesen und gerichtlich festgestellt wurde? Mit rechtlichen Konsequenzen des Angegriffenen muß er rechnen!

     

    (2) Wann werden denn endlich einmal die Verhältnisse an der Univ.Bayreuth unter die öffentliche Lupe genommen. Haben denn die "Doktorväter" dort ihre Schützlinge im Blick? Schielen sie vielleicht nur auf die Laudatio bei ihrer Emeritierung ("... er hat Hunderte von Doktoranden ins Ziel geführt.")? Wird vielleicht "Massenware" produziert um mit anderen Universitäten mithalten zu können? Ist der Status "Universität" noch gerechtfertigt?

     

    (3) Der aktuelle Anlaß sollte zur Diskussion über den "Dr." in unserer Gesellschaft führen: Stärkung des persönlichen Egos? Qualitätsfaktor zur Arbeitserleichterung für Personalchefs? Monstranz oder Phallussymbol? Nachweis der Eignung zur wissenschaftlichen Arbeit? Bis auf Letzteres sollte man alles andere möglichst entsorgen um die Glaubwürdigkeit des Titels zu erhalten!

     

    MfG

  • V
    vic

    G. Hat eindeutig den richtigen Zeitpunkt zum Rücktritt verpasst, was aber nicht heißt, dass er bleiben kann.

    Wäre ich Patriot- was ich nicht bin-, würde ich sagen

    "Dieser Bundesminister schädigt das Ansehen der Bundesrepublik"

    Und das jeden Tag mehr, den er noch im Amt ist.

  • A
    atypixx

    An der Kommission zur Selbstkontrolle der Wissenschaft wird es nun ganz maßgeblich liegen, ob Bayreuth als Universität zur Lachnummer verkommt oder nicht. Sollten sie zu dem einzig nachvollziehbaren Schluss gelangen, dass Guttenberg vorsätzlich getäuscht und nicht etwa 300 Mal aus Versehen und unbewusst seitenlang abgeschrieben hat, so gibt es eine Aussicht auf Rehabilitierung. Kämen sie hingegen zu dem aberwitzigen Ergebnis, dass dem werten Herrn Minister hier serielle kleine Unachtsamkeiten unterlaufen sind, so würde sich wohl auf Dauer eine Schreibweise etablieren, die bisher noch als spöttische Randnotiz erscheint: "Universität Buyreuth".

  • M
    murry

    Was bei dem Thema noch ein Randthema ist ist die unsägliche Rolle die die Bundeskanzlerin in der Geschichte spielt. Sie stellt sich vor die Kameras stellt sich absichtlich doof und tut so als würde sie Guttenberg glauben. Niemand der sich eine halbe Stunde mit den Beweisen auseinandergesetzt hat und bei klaren Verstand kann Guttenberg glauben daß er nur geschlampt hat. Und niemand glaubt der Kanzlerin daß sie Guttenberg glaubt. Wenn Sie nicht aufpasst und Guttenberg weiterhin in einer Sache deckt, wo es nichts mehr zu decken gibt wird die Affäre Guttenberg über kurz oder lang zur Affäre Merkel.

  • E
    EuroTanic

    Von welcher Autorität sie reden ist mir unklar. Ich kenne niemanden in meiner sozialen Umgebung der einen Politiker in Deutschland noch ernst nimmt. Diese Damen und Herren werden eher mit Titeln wie Verbrecher, Ausbeuter, Teufel und Dummköpfe belegt. Allenfalls dienen sie noch als Belustigung. Meistens rufen Personen aus der deutschen Politik bei den Beteiligten eher Übelkeit und Hass hervor.

  • F
    flopserver

    Immer mehr unfreiwillige Komik:

    In seinem heutigen Artikel in der FAZ mit der Überschrift "Die letzte Volkspartei" schreibt Frank Decker folgenden Satz über eine wissenschaftliche Arbeit über die CSU, nachdem er in einem Satz zuvor K.T. zu Guttenberg erwähnt hatte: "Dieser Band schreibt die CSU-Forschung überzeugend fort."