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Kommentar zu FahrradfahrernVerkehr ist kein Wettkampf

Kommentar von Claudius Prösser

Mittel und Wege sind wichtig. Aber eine Fahrradstadt braucht auch eine Radfahrkultur.

A n einem Sommernachmittag in Kreuzberg. Skalitzer Ecke Oranienstraße. Eine Radfahrerin wartet an der Ampel. Die schaltet auf Grün, die Frau fährt los. Als sie wenige Meter zurückgelegt hat, kracht ein Rennradfahrer seitlich in ihr Gefährt und landet nach einem Überschlag auf dem Asphalt. Ganz offensichtlich ist er mit Schmackes über eine Ampel gerauscht, die längst Rot zeigte. Glück gehabt: Verletzt ist niemand, nur das Hinterrad der Frau hat eine Acht.

Wer mit offenen Augen durch die Stadt radelt, wird solche Szenen öfters erleben, auch wenn sie nicht immer so spektakulär enden. Andere Fahrer - übrigens so gut wie immer Männer - überholen rechts, auf Tuchfühlung, rasen an denen vorbei, die vor roten Ampeln stehen bleiben, kommen einem mitten auf dem Radweg entgegen. Nachts gerne auch ohne Licht.

Es ist nicht bekannt, ob der tödliche Unfall auf der Mühlenstraße einer Rücksichtslosigkeit geschuldet war. Wenn sich ein solcher Verdacht aber unwillkürlich aufdrängt, liegt das an einer Radfahrkultur, die mit konstant wachsendem Velo-Aufkommen eher abnimmt. Manche Menschen in dieser Stadt fahren Rad, als wäre es ein Motocross-Rennen. Nur dass es für ein Motorrad nicht gereicht hat - und dass Verkehr verdammt noch mal kein Wettkampf ist.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Sorge der Radfahrer gilt völlig zu Recht der defizitären Infrastruktur und der Gefahr, die an Kreuzungen von Pkws und Lastwagen ausgeht. Es geht auch nicht um noch mehr Regeln. Es geht um Rücksichtnahme und um Empathie.

Sicher: Radfahren soll Spaß machen und effizient sein. Schnelligkeit ist nicht verboten. Wo Fahrweisen aber andere gefährden, hört der Spaß auf.

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6 Kommentare

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  • H
    Heinz

    Ist ja unerhört. Als wenn unsere Radfahrer was für diesen Verkehr könnten. Ihr wollt wohl noch mehr Autos auf dem Bürgersteig als Räder, wie?! Jawoll, da parken se doch schon auf der Hasenheide auf dem Gehweg! Selbst gesehen. Und letztens hat mich so ne Dame im Kaninchenfell fast umgerannt als ich harmlos auf dem breiten Gehweg daherradelte, hat sich einfach umgesehen, ihrem Lover nen Kuss zugeworfen, umgedreht und fast: bumm! Also wirklich - Nummernschild für Radfahrer????!!!! Die meisten in Neukölln können dorch gar kein Nummernschild lesen - sollten erstmal in die Volkshochschule gehen , nen Kurs belegen.

    Und überhaupt: was wird aus der Anarchie auf der Straße wenn man die Radfahrer registriert und drangsaliert. Ne wenn schon, dann Innenstadtverbot für Taxifahrer, BMW-Fahrer und Alleebaum-Rammer.

    Dein Horst

  • H
    Hannes

    Wer Nummernschilder für Radfahrer fordert, sollte sie auch gleich für Fußgänger miteinfordern - wie oft laufen Fußgänger wie Hans-guck-in-die-Luft auf den Radwegen oder erscheinen spontan zwischen zwei parkenden Autos auf der Fahrbahn? Und dann bitte auch Kennzeichen für die Minenleger Waldi, Bello und Co., die sich auch stets schleunigst verziehen, ohne Rufname und Adresse von Frauchen oder Herrchen zu hinterlassen...

     

    Aber halt! Auch Autofahrer (Die haben - btw - ein Nummernschild!)benehmen sich oft wie die Axt im Walde, heizen bei dunkelgelb über die Kreuzung, wenn sie diese nicht von vornherein (etwa bei zähfließendem Verkehr) sowieso für querende Fußgänger, Radler und auch andere Autofahrer blockieren, zischen mit Zentimeterabstand an Radfahrern vorbei, jagen selbige gern unter Einsatz der Waffe Auto auf unbeschilderte (ergo nicht benutzungspflichtige) Radwege, sehen beim Links-, wie beim Rechtsabbiegen konsequent weder Fußgänger noch Radfahrer als Verkehrsteilnehmer an (wenn sie sie nicht von vornherein gänzlich übersehen), wissen nicht, daß rechts vor links auch für Radler gilt etc. pp.

     

    Und jetzt zum konstruktiven Teil dieses Kommentars, soweit es bei dieser hitze möglich ist:

     

    Für ein besseres MITeinander (statt des bisherigen GEGENeinanders) auf den Straßen wäre es endlich angebracht, die Verkehrserziehung (besser: Mobilitätserziehung) nicht auf Kindergarten und Grundschule zu beschränken. Vor allem Jugendlichen müssen Alternativen zum "geilen Teil" Auto schmackhaft gemacht werden. Wer schon als Kind und Jugendlicher positive erfahrungen mit dem Fahrrad (unabhängige, eigenständige Mobilität, schnell und unkompliziert) oder Bus und Bahn sammelt, greift auch später darauf zurück. Wer hingegen mit dem elterntaxi durch die Welt chauffiert wird, verkümmert geistig (eigenständige Bewegung ist unabdingbar für die entwicklung des Gehirns) und traut sich auch später nicht aus der Blechkiste.

     

    Sehr sinnvoll dürfte eine regelmäßige Nachschulung von Führerscheininhabern sein (alle 5 oder 10 Jahre), denn - Hand aufs Herz - wer kennt nach ein paar Jahren noch alle StVO-Regelungen - und vor allem all die Neuerungen? Besser: Für alle Verkehrsteilnehmer. Noch besser: Shared Space.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Mir geht das Gejammer über die ach so bösen und rücksichtlosen Fahrradfahrer tierisch auf den Senkel.

     

    Ich fahre nur Fahrrad und empfinde den Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • D
    Daniel

    @Gabriele:

    damit diese leute dann aufs auto umsteigen und erst recht eine gefahr werden? na schönen dank.

    tempo 30 in der gesamten innenstadt und fahrräder als vollwertige verkehrsteilnehmer behandeln. also mittig auf der fahrbahn als pflicht.

  • NF
    Norman Frey

    "übrigens so gut wie immer Männer" - Hat das irgendeine Relevanz? Männer sind in erster Linie Menschen.

  • GB
    Gabriela Burghardt

    Als Fußgängerin, passionnierte Radfahrerin und Autofahrerin kann ich nur sagen, der eigentlich positive Trend zum Radfahren wird leider mittlerweile zum Nahkampf auf den Straßen. Wenn ich aus meinem Haus aus der Hasenheide komme, muss ich aufpassen auf dem Gehweg von tollkühnen Radfahrern nicht umgefahren zu werden. Die Tochter meiner Nachbarin wurde schonmal angefahren. Wie konnte sie denn nur einfach auf den Gehweg laufen?

    Als Radler bei einer geführten Tour, wurden wir auf dem Radweg von einem supergenervten Schnellfahrer umgefahren, der dann auch noch feige geflüchtet ist.

    Im Auto, selbst, wenn man sich drei-fünfmal umgesehen hat, kann es dir passieren, dass ein Radler plötzlich querschießt. Neulich wurde mein Auto vom Rad angefahren, weil ich beim rechts abbiegen stehenblieb, um ihn vorbeizulassen und er beschwerte sich auch noch, wie man denn einfach stehen bleben könne. Die Delle im Auto wurde natürlich nicht bezahlt.

    Ich frage mich, wie die das alle überleben und ob es nicht sinnvoll wäre, den Verkehrskindergarten, Radführerschein und Punkte in Flensburg für erwachsene Radpistensäue einzuführen. Auch die Räder sichtbar zu kennzeichnen etwa mit Nummernschild, wäre eine Möglichkeit, damit man solche Leute wenigstens mal belangen kann.

    Es scheint hier eine Art der Anarchie zu wachsen, die das Miteinander leider in Aggressivität und Rücksichtslosigkeit gepaart mit Ignoranz ausarten lässt. Pläne vom Senat für 2015 werden wohl kaum die derzeitigen akuten Probleme lösen. Offensichtlich müsste man so manch einen schnellstens vor sich selbst, aber vor allem die anderen vor ihm schützen.