Kommentar über größere Kitagruppen von Eiken Bruhn: Dann doch lieber zu Hause
Dass sich die LeiterInnen von Kindertagesstätten des städtischen Eigenbetriebs geschlossen gegen einen Beschluss des Senats und der rot-grünen Parlamentsmehrheit stellen, ist ein unerhörter Vorgang.
Zähneknirschend haben sie noch den größten Blödsinn mitgetragen, den sich Politik und Verwaltung ausgedacht haben. Zum Beispiel die „Viertquartalskinderregelung“. Auf diese Weise schaffte die damalige Kindersenatorin Anja Stahmann (Die Grünen) das Kunststück, auf einen Schlag 1.700 Krippenplätze zu schaffen – rechtzeitig zum Rechtsanspruch, der seit 2013 auch für Ein- bis Dreijährige gilt. Seitdem müssen schon zweieinhalbjährige Wickelkinder in die Gruppen von 20 Drei- bis Sechsjährigen wechseln. Daher fehlen dort jetzt auch anteilig mehr Plätze als bei den Kleinen.
Die Kita-Leitungen sagen zwar jedem, der sie nach ihrer Meinung dazu fragt, wie pädagogisch fragwürdig sie dies finden – aber sie haben sich nicht kollektiv verweigert, als Rot-Grün den Plan absegnete.
Ein solches Signal senden sie erst jetzt: Es reicht. Das sagen auch ihre MitarbeiterInnen. ErzieherInnen können bereits bei einer Gruppengröße von 20 nicht mehr jedem Kind das geben, was es braucht. Der Lärm- und Stresspegel ist in großen Gruppen hoch. Hinzu kommt, dass viele ErzieherInnen wegen Krankheit ausfallen und dank des selbst verzapften Fachkräftemangels kaum noch Ersatz zu bekommen ist.
Für die Kinder heißt das, dass sie sich mitunter täglich an neue Gesichter gewöhnen müssen. Ohne sichere Bindung an Erwachsene gelingt aber Lernen nicht, wie Bildungsforscher seit Jahren herunterbeten.
Das Elend wird im Sommer noch einmal ein bisschen größer. Dann eröffnen reihenweise neue Gruppen in Mobilbauten mit ErzieherInnen, die größtenteils direkt aus der Ausbildung kommen. Vielleicht hat die Linken-Politikerin Sofia Leonidakis recht mit ihrer Vermutung und es bleiben tatsächlich Plätze leer, weil die Eltern, die es sich leisten können, dann doch lieber ihre Kinder zu Hause hüten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen