Kommentar Zivildienst-Ende: Ein Auge lacht, das andere weint
Fällt die Wehrpflicht, wird auch der Zivildienst hinfällig. Und das ist gut so. Denn der Zivildienst ist eine Zwangsinstitution. Die einzige Alternative: freiwillige Dienste.
D ie Aussetzung, sprich Beendigung der Wehrpflicht ist seit Angela Merkels Intervention vom Wochenende greifbar nahe. Fällt die Wehrpflicht, wird auch der Zivildienst hinfällig. Und das ist gut so.
Denn der Zivildienst war und ist eine Zwangsinstitution, eine angesichts der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt willkürliche Unterbrechung der Ausbildung. Sie ist gut für die von den Zivis profitierenden sozialen Einrichtungen, aber ökonomisch bleibt sie eine Fehlallokation von "Humankapital" in einem Sektor, der von der ständigen, garantierten Zufuhr billigster Arbeitskräfte lebt. Im Jahr 2009 waren es 90.555.
Die Klage einer Reihe von Sozialverbänden, sie könnten das Ende des Zivizufuhrs nicht verkraften, ist verständlich, aber sozial nicht vertretbar. Das extrem niedrige Lohnniveau könnte durch die Verknappung des Angebots von Arbeitskräften steigen. Trotzdem sind erhebliche Lohnerhöhungen nicht zu erwarten. Dafür sorgt der Import billiger weiblicher Arbeitskräfte etwa aus Polen nach dem Ende der Restriktionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Christian Semler ist langjähriger Mitarbeiter der taz.
Die einzige Alternative zum bisherigen Zivildienst ist ein freiwilliger Dienst, der allerdings attraktiv ausgestaltet werden müsste. Die Ministerin Christina Schröder hat hierzu einige vernünftige Vorschläge gemacht.
Man sollte nicht zu skeptisch die Chancen des zukünftigen freiwilligen Dienstes beurteilen. Klar ist aber: Ohne den Zivizwangsdienst hätte das Gros der jungen Männer nicht daran gedacht, in der sozialen Billigdienstleistungsbranche zu arbeiten. Der Zivildienst bot ihnen die Chance, in großer Zahl soziale Kompetenz zu erwerben. Damit wird es zukünftig vorbei und die Frauen werden wieder unter sich sein. Schade.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung