Kommentar Williamson-Affäre: Der erstaunliche Brief des Joseph R.
Der Papst schreibt einen ambivalenten Brief an seine Bischöfe - offensichtlich kann er mit Kritik nicht umgehen.
E s gibt solche Typen: Erst, wenn man ihre Frechheiten satthat und zurückblafft, werden sie freundlich. Joseph Ratzinger, Papst der katholischen Weltkirche, scheint Züge eines solchen Menschen zu haben. Das jedenfalls legt der nun offiziell veröffentlichte Brief von Benedikt XVI. an seine Bischöfe nahe. Es ist ein erstaunliches, sehr persönliches und ziemlich ambivalentes Dokument.
Erstaunlich ist das Schreiben, da es relativ schonungslos die "Pannen" innerhalb der Kurie benennt, die zur Teilrehabilitation auch eines Holocaust-Leugners führten. Dass der Papst so klar diese Fehler zugibt und bedauert, ist schon ein neuer, ein notwendiger Ton, um aus der Kirchenkrise herauszukommen. Dass der Papst zugleich verspricht, dem ach so neuen Medium Internet in Folge der Williamson-Affäre nun mehr Aufmerksamkeit zu widmen, ist tragisch-komisch.
Sehr persönlich ist der Brief, weil ihn eine ordentliche Spur Selbstmitleid, Dünnhäutigkeit und Naivität durchzieht, etwa wenn der Papst beklagt, dass auch Katholiken "mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten". Der deutsche Professor auf dem Stuhl Petri hat offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass die Weltkirche mit ihrer einer Milliarde Menschen kein Kuschelverein ist, in der Kritik aneinander immer samtweich sein muss. Und er will anscheinend nicht kapieren, dass alle seine Aktionen auch eine politische Dimension haben - und seien es so scheinbar interne Dinge wie die Teilrehabilitation von Ultratraditionalisten oder die Wiedereinführung einer Karfreitagsfürbitte zur Bekehrung der Juden.
Ambivalent ist das Schreiben schließlich, weil der Papst darin unvermittelt in einen Gegenangriff übergeht und die Kritiker seines Vorgehens des Hasses und der Intoleranz zeiht. Dass die Kritik am Papst gerade von Seiten mancher deutscher Bischöfe und durch die Kirchenvolksbewegung allein in Sorge um die Kirche geschah, scheint bei ihm nicht wirklich angekommen zu sein.
Die Kirchenkrise schwelt also weiter: Damit sich das ändert, müssen die Pius-Brüder das Konzil voll anerkennen - und Richard Williamson muss seine Holocaust-Leugnung widerrufen.
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