Kommentar Wiesenhof: Brutalität zahlt sich aus
Der Geflügelproduzent PHW/Wiesenhof hat einen neuen Skandal. Prompt versprechen sie Besserung. Das funktioniert aber nur, wenn sich das System ändert.
V ollmundig hat Deutschlands größter Geflügelproduzent PHW/Wiesenhof "Konsequenzen" aus seinem neuesten Tierquälereiskandal versprochen. Zu groß ist der Imageschaden durch TV-Bilder, auf denen Wiesenhof-Männer Puten mit den Füßen treten und auf Lastwagen werfen. Aber Wiesenhofs Konsequenzen werden weitere Leiden von Zuchttieren kaum verhindern.
Zwar will der Konzern nun dafür sorgen, dass keiner der Tierquäler mehr in seinen Betrieben arbeitet. Doch diese Mitarbeiter sind nur ein kleiner Teil eines System, dem der Respekt vor Tieren fehlt. Auch wenn Wiesenhof jetzt ein paar Rädchen gegen andere austauscht: Die Maschine wird weiter laufen. Und für sie sind Tiere nur Produktions- und vor allem Kostenfaktoren. Genau diese Haltung ist der Grund für die Fehlentwicklungen in der modernen Massentierhaltung.
Wenn die Branche ihre Grundeinstellung zu Tieren ändern will, dann muss sie ihre Methoden reformieren. Sie muss auf hochgezüchtete Rassen verzichten, deren Brustmuskelfleisch so schnell wächst, dass das Skelett das Gewicht nicht tragen kann - was den Tieren ständig Schmerzen bereitet. Wiesenhof, Emsland Frischgeflügel und die anderen Agrarkonzerne müssen ihren Tieren endlich mehr Platz in den Ställen und Auslauf ins Freie einräumen. Die Enge in heutigen Tierfabriken setzt die Vögel unter Stress, sodass sie sich gegenseitig durch Picken verletzen.
Jost Maurin ist Redakteur im Umwelt- und Wirtschaftsressort der taz.
Doch von solchen Reformen sind die Firmen weit entfernt, denn sie würden Geld kosten und Konkurrenten mit niedrigeren Tierschutzstandards nützen. Deshalb muss die Politik allen Unternehmen gleichzeitig strengere Regeln auferlegen. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) und ihr niedersächsischer Amtskollege Gert Lindemann (CDU) haben zwar angekündigt, sich für mehr Tierschutz einzusetzen. Diese Pläne klangen gut - aber bisher blieben sie genauso folgenlos wie die Versprechen der Agrarkonzerne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland