Kommentar Weltfinanzgipfel: Selbstlob soll Krise abwenden
Obwohl dringender Handlungsbedarf besteht, einigen sich die Staats- und Regierungschefs auf dem Weltfinanzgipfel auf nichts - und warten auf Barack Obama.
Die Industrieländer sind offiziell in die Rezession gerutscht, Pakistan steht vor dem Staatsbankrott und muss vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gerettet werden, und bei den Autokonzernen drohen die ersten Megapleiten. Die Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer wissen auch, wie sie darauf reagieren müssen: Sie klopfen sich selbst auf die Schultern. Man habe überzeugende Schritte zur Konjunkturankurbelung und zur Finanzmarktstabilisierung unternommen, loben sie sich in der Abschlusserklärung des Weltfinanzgipfels. Man müsste eigentlich noch mehr tun, räumen sie ein. Aber was - darauf wollen sie sich partout nicht festlegen.
Die Deutschen haben sich auf die Regulierung von Hedgefonds und Ratingagenturen eingeschossen. Das ist zwar zu begrüßen, aber beide haben die Krise nicht ausgelöst. Die Franzosen möchten die Finanzmarktaufsicht grenzüberschreitend gestalten, womöglich durch einen zur Finanzpolizei aufgemotzten IWF. Die Amerikaner unter dem scheidenden George Bush wollen vor allem eins: all das verhindern. Und die Schwellenländer wollten anscheinend nur mal kundtun, dass sie an dem Debakel nicht schuld sind. Das mag richtig sein. Hilfreich ist es nicht.
Dabei wäre die überfällige Regulierung der Finanzmärkte nur ein erster Schritt. So wie 1944 in Bretton Woods ein System fester Wechselkurse geschaffen wurde, das für 30 Jahre Ruhe auf den Märkten sorgte, so müsste auch jetzt ein neues Finanzsystem entworfen werden. Es müsste nicht nur alles daran gesetzt werden, die globale Wirtschaftskrise zu lindern. Die Chance sollte genutzt werden, um endlich die Serie von Krisen zu beenden, die die Weltwirtschaft seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems regelmäßig erschüttern.
Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem künftigen US-Präsidenten Barack Obama, auf den man mit dem nächsten Gipfel warten will. Nur leider weist nichts darauf hin, dass mit Obama diese Fragen angesprochen, geschweige denn angegangen werden. Braucht es denn wirklich wieder einen Weltkrieg, damit sich die Politiker auf irgendetwas einigen können? NICOLA LIEBERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestagswahlkampf
Konstantin Wecker wirbt für die Linke
Elon Musks Hitlergruß
Entscheidend ist der Kontext
Trumps Amtseinführung
Der Geruch von Machtergreifung
Israels Kampf im Gazastreifen
Völkermord, im Ernst
Sozialabgaben auf Kapitalerträge
Keine Zahlen sind auch keine Lösung
Belästigungsvorwürfe und falsche Angaben
Grüne richten Gelbhaar-Kommission ein