Kommentar Wahlen in Bayern: Ein traurige Geschichte
Eine Woche vor der Landtagswahl verheißen die Prognosen für die CSU nichts Gutes. Es könnte die größte Niederlage seit 46 Jahren werden.
V on diesen Tag dürften selbst die unverbesserlichsten Optimisten unter Bayerns Oppositionellen nur ganz selten geträumt haben. Umfragen sehen die CSU eine Woche vor der Landtagswahl nur noch bei 47 Prozent. Das heißt: Es sind bestenfalls noch zwei mickrige Prozentpunkte, die Bayerns Regierungspartei von der größten Niederlage seit 46 Jahren trennen - dem Verlust der absoluten Mehrheit. Dass die Alleinherrschaft der CSU jetzt wirklich enden könnte, das erscheint für Millionen von Bayern wie ein Wunder. Aber wenn man es genau betrachtet, ist es eine tief traurige Geschichte.
Als Edmund Stoiber über seine grenzenlose Hybris stolperte und von der eigenen Partei gestürzt wurde, kam mit Erwin Huber und Günther Beckstein nicht nur neues Personal an die Spitze. Sie nahmen der CSU auch ein wenig von ihrem Größenwahn. Der kurz zuvor noch heilige Transrapid wurde von Beckstein nüchtern kassiert. Wurde unter Stoiber noch der Ausbau des Münchner Flughafens ohne Rücksicht auf Verluste durchgedrückt, sucht Beckstein mittlerweile den Dialog mit den Gegnern. Und so putzig und unbeholfen ein Erwin Huber auch mit seinem Vorstoß zur Wiedereinführung der - einst auf CSU-Initiative abgeschafften - Pendlerpauschale wirkt, so steckt jenseits von schnödem Wahlkampfgeplänkel auch ein kleines, aber entscheidendes Stück Politikwechsel in der Initiative. Finanzpolitik wird, anders als zur Stoiber-Ära, nicht mehr nur als Mittel begriffen, um auf Bundesebene mit einem tadellos ausgeglichenen Haushalt Parteiwerbung zu machen. Es gilt inzwischen auch als ein Instrument, den Bürgern bei steigenden Lebenshaltungskosten unter die Arme zu greifen.
Wenn jetzt die absolute Mehrheit verloren geht, dann wird es schwer für die sanften Reformer der Nach-Stoiber-Ära. Die Protagonisten, die für den Fall als mögliche Nachfolger gehandelt werden, ob sie Seehofer heißen oder Söder, stehen fast alle für den Größenwahn früherer Jahre. Sie wollen als Regionalpartei auch in Berlin und Europa glänzen. Egal was es kostet. Das wiederum wäre ein ziemlich bitteres Wahlergebnis.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?