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Kommentar VollzeitstellenVerlierer sind die Arbeitnehmer

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Die Zahl der Vollzeitstellen mag zunehmen – die Situation für Arbeitnehmer ist trotzdem nicht besser geworden. Unzufriedenheit und Angst wachsen nicht ohne Grund.

D eutschland bleibt, so scheint’s, Musterschüler: Im letzten Jahr ist die Zahl der unbefristeten Vollzeitstellen hierzulande gewachsen. Das ist Wasser auf die Mühlen der Politiker, die ihren europäischen Nachbarn in diesen Wochen gerne ungefragt zurufen: Reformiert eure Arbeitsmärkte so wie wir, dann wird es euch bald besser gehen.

Doch der Zuwachs an Vollzeitjobs fällt kläglich aus und macht den Abbau, der in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat, nicht wett. Dahinter steckt ein Umbau unserer Gesellschaft: Während die Zahl der Vollzeitstellen mehr oder weniger auf dem Wert von 2001 stagniert und das Arbeitsvolumen seither auch nur wenig zugelegt hat, gibt es immer mehr Menschen, die sich in bezahlten Jobs verdingen. Arbeit wird also einfach auf mehr Schultern verteilt.

Dagegen wäre nichts einzuwenden, gäbe es nicht die – wieder einmal angewachsene – Zahl der Verlierer: Mittlerweile müssen sich fast acht Millionen Menschen ihr Leben auf befristeten Stellen, in Leiharbeit oder 400-Euro-Minijobs verdienen. Sie gehen – wie auch so mancher Vollzeitarbeiter – oft mit einem Hungerlohn nach Hause.

Bild: R. Blidar
Eva Völpel

ist Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Inlandsressort der taz.

Das treibt den Frust: Seit Jahren wächst in Deutschland die Unzufriedenheit mit dem eigenen Job, zeigen Daten des Sozio-oekonomischen Panels. Trotzdem hat die Flexibilität, die die Hartz-IV-Reformer gerne als Allheilmittel preisen, für Arbeitnehmer sogar abgenommen: Immer weniger Menschen mit einer Stelle haben den Mut, sich eine neue zu suchen. Weil es sie nicht gibt – oder weil man lieber an der alten festhält, die neue könnte ja noch schlechter werden.

Wird also in diesen Tagen mehr Mut zu Reformen und Flexibilität auf den europäischen Arbeitsmärkten gefordert, kann man sich sicher sein, dass die Beschäftigten davon nicht profitieren werden. Es ist wohl eher der Schlachtruf, um Europa in der globalen Konkurrenz neu auszurichten: mit weniger Arbeitnehmerrechten und mehr Freiheit für die Unternehmen.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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17 Kommentare

 / 
  • E
    Erwin

    Meinen Hass drücke ich durch Petitionen an den Bundestag aus:

     

    Ich fordere regelmäßig auf sich zu entleiben.

  • H
    Hupe

    Ich verstehe den Sinn dieses Artikel nicht - auf der einen Seite hetzt die Autorin gegen Unternehmen und beklagt - sicher teilweise zu recht - Mängel in den Aussagen der Statistik, auf der einen anderen Seite arbeitet die Autorin doch selber für die taz, eine Genossenschaft, also ein ganz normales "Unternehmen",die ja angeblich Mitarbeiter so ausbeuten. Also entweder lässt sich die Autorin somit auch ausbeuten - schade, aber wenn sie damit ein Problem hat, kann sie als hochbezahlte Redakteurin ja kündigen - oder sie ist einfach nur hypokritisch und folglich nicht ernst zu nehmen. Was denn nun?

     

    Und der Beifall von den ganz billigen Plätzen, den die Autorin hier aus der Faulenzer-Ecke der Kommentatoren erhält, ist nun auch nicht gerade ein Ritterschlag.

  • A
    Asi

    Lohndrückerei ist genau der Punkt der jetzigen "Krise": Man sorgt dafür, das andere Europäer zuhause keine Arbeit mehr finden und für die, die sich keine Arbeitssuche im Ausland leisten können, drängt man die Südländer aus dem Euro, um anschliessend mit Chinalöhnen wettbewerbsfähig zu sein. Kratzt die Verwandschaft doch noch Geld zusammen, nimmt man die "Illegalen", schafft südeuropäische Wirtschaftswunder und kürzt dann auch im Norden alles zusammen, weil die dann noch mehr Angst haben. "100-400 Euro Jobs" (IWF-Thomsen) sind das Ziel und langfristig natürlich ohne Ergänzung vom Asiamt.

  • T
    Thorben

    Arbeit lohnt sich nicht mehr.

  • A
    Asi

    da ich ja mittlerweile mitgekriegt habe das hier nur Kommentare von Leuten gedruckt werden die auch ordentlich zahlen, hat lange gedauert, ihr habt da so ein durchsichtiges, klares System, möchte ich mich hier nur mal für euer Verhalten bedanken, also das ich als Asi überhaupt noch Zeitung lesen darf, eine "echte" leisten kann ich mir schon lange nicht mehr. Dann fahrt mal weiter auf eurer 2-Klassengesellschaft, passt ja auch in´s Bild.

  • P
    p3t3r

    man kanns ja nicht oft genug sagen das die lösung dieses problems die einführung des BGE´s wäre :)

     

    der umbau des arbeitsmarktes, wenn sich die arbeit auf viele schultern verteilt, wäre ja optimal mit einem BGE ;),

    zu empfehlen die doktorarbeit von Andre Presse (die einzige zu dem Thema)

  • G
    Globetrotter

    Tatsache ist - die Statistiken belegen es - dass atpyische Beschäftigungsverhälnisse seit 2001 jedes Jahr zugenommen haben, ebenso wie die Teilzeitbeschäftigungen. Das macht die Lebensplanung insbesondere junger Menschen nicht leichter.

     

    Die Autorin hat Recht: Man will den Arbeitsmarkt der Globalisierung anpassen. Das heisst: Die Arbeitsmarktsituation-und Politik der sozialen Marktwirtschaft kann man vergessen.

    Die Politik ist machtlos, die Gewerkschaften auch. Sie haben ganz einfach gegenüber "den Märkten" kapituliert.

  • B
    Blog

    "mit weniger Arbeitnehmerrechten und mehr Freiheit für die Unternehmen" - peinliche, dümmliche Klassenkampfrhetorik - wie kann es sein, dass eine so junge Autorin schon in so jungem Alter so rückständig und lebensfeindlich denkt? Es bleibt zu hoffen, dass sie weiß, was für einen Unsinn sie hier schreibt, und den Käse nur abliefert, weil sie damit die schlichten Geister des typischen taz-Leser (also faule, arbeitslose NPD-Wähler) bedienen will. Anders sind solche ultra-rechten Klassenkampfparolen nicht zu erklären.

  • JM
    Jürgen Matoni

    Sehr geehrte Frau Völpel. Lassen Sie sich nicht durch unqualifizierte Kommentare beirren. Wie bitteschön, sollte eine Analyse "mitreissend" sein, wenn es das Thema nicht ist? Ihre Analyse ist korrekt und Ihr Stil angemessen. Stilfragen sollten auch nicht zu persönlichen und dazu noch dümmlichen Angriffen führen. Wie "Partner" auf das schmale Brett mit der Katalogisierung "Links = engstirnig usw." kommt, hat mit Logik nichts zu tun. Und "Minderleister" gibt es auch bei den Foristen.

     

    Liebe Grüße J.

  • P
    @Patner

    "aber kann man nicht mal einfach sagen: Gut, dass Arbeitslosigkeit nicht mehr das Hauptproblem ist?"

     

    Das wäre eine glatte Lüge!

     

    Ob es das "Hauptproblem" ist, ist wohl Ansichtssache, aber ein großes Problem ist es in Deutschland auf jeden Fall! Zumindest für die Betroffenen - und das sind definitiv nicht wenige.

     

    Inhaltlich und sachlich verweise ich u.a. auf (einige) der anderen Kommentare.

  • GO
    George O.

    Letztlich hat mich die neoliberale Deregulierungspolitik insbesonderen der letzten zehn Jahre - Stichwort: Hartz-Gesetze, die wir Rot-Grün verdanken - vor allem eines gelehrt:

     

    Durch die neoliberalen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen wurde ein permananter Ausnahmezustand auf dem Arbeitsmarkt und in der Sozialpolitik geschaffen.

     

    Dieser durch die o. g. Gesetze geschaffene Ausnahmezustand wurde zur Regel erklärt.

     

    Auf dieser Grundlage kommt man dann - netter PR-Kunstgriff - tatsächlich zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland mehr "reguläre" Arbeitsverhältnisse gibt.

     

    Ist halt alles Definitionssache, und die Neoliberalen bemühen sich nun schon seit vielen Jahren mit hohem finanziellen Einsatz (Stichwort: INSM) darum, Begriffe in ihrem Sinn umzudefinieren.

     

    Es gilt also der Slogan:

     

    Der Ausnahmezustand ist die Regel. Mit besten Grüßen

     

    Ihr George Orwell.

  • L
    lorenz

    Wenn ich hier etwas von ´"Hungerlöhnen" und "Elend" lese und dass im Zusammenhang mit Geringverdienenern in Deutschland, wird mir schlecht. Diese ständige Litanei ist ein Schlag ins Gesicht all jener (da reicht schon ein Blick in manches ost- oder südeuropäische Land), die wirklich unter Elendsverhältnissen leben. Wenn eine beheizte Wohnung, ausreichend Essen, ab und an ein paar Klamotten, Flachbildschirm und Smartphone sowie weitgehend kostenlose Krankenversorgung Elend sind, würden wahrscheinlich 70% der Weltbevölkerung gern tauschen.

     

    Vielleicht hat sich auch noch nicht rumgesprochen, dass sich die Höhe der Löhne nicht nach dem Wünsch-Dir-Was-Prinzip oder dem persönlich empfundenen Bedarf richtet, sondern nach der Produktivität des ausgeübten Jobs. Es gibt durchaus auch in großen Konzernen schwarze Schafe, aber die meisten Geringverdiener finden sich in Kleinunternehmen, die einfach nicht mehr zahlen können, weil der Umsatz es nun mal nicht hergibt. Ich kann nun einmal nur das verteilen, was ich zuvor eingenommen habe.

     

    All den Weltverbesserern, die so gern laut nach besserer Bezahlung von Geringverdienern rufen, ein Tipp: beim nächsten Friseur-, Kneipen- oder Paketbotenbesuch ein großzügiges Trinkgeld geben und so den "Hungerlohn" etwas aufbessern.

  • T
    Tiger

    Aktueller Sound zur zunehmenden Verelendung von immer mehr Arbeitnehmern und Arbeitslosen in Deutschland:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=JKRfoc-Gm7o&feature=related

  • C
    Celsus

    Was Deutschland da als Erfolgsschlager verkauft ist vergleichbar mit den Kettenbriefen. Irgendwann findet sich einer, der nicht mehr mithalten kann und die Sache platzt.

     

    Denn was ist es denn für ein Erfolgsrezept mehr zu exportieren als zu importieren, um Arbeitsplätze zu schaffen? Irgendwann trifft es in der Kette diejenigen, die nirgendwohin mehr exportieren können.

     

    Und dann Nachhilfe im Exportieren geben? So etwas Verrücktes kann auch nur Politikern und der Exportlobby einfallen, die eben zur Not den inländischen Zahler von Mehrwertsteuer und ähnlichen Steuerabgaben der Armen abschröpfen.

  • P
    Patner

    Wo buddelt die taz nur immer diese ultra-linken, aber völlig ahnungslosen "Redakteure" aus? Mal wieder ein sehr geiler Artikel - Fakten völlig egal, hauptsache, die nölende Autorin verbreitet miese Stimmung. Sie hat auch einen ziemlich müden Schreibstil, mitreißend geht anders - aber kann man nicht mal einfach sagen: Gut, dass Arbeitslosigkeit nicht mehr das Hauptproblem ist? Stattdessen spielt man wieder die krampfhafte linke Spaßbremse. Die Autorin scheint doch noch recht jung - wie kann man in so jungen Jahren schon so verbohrt, engstirning und zynisch sein?

     

    Und der Artikel ist auch echt schlecht, ein richtiger Minderleister-Artikel - hier passt der Begriff ausnahmsweise.

  • F
    F.T.

    ...und die Etablierung des Niedriglohnsektors, der Leiharbeit, der Minijobs etc. haben wir der Agenda 2010 und den Hartz-IV-Gesetzen von SPD und den Grünen zu verdanken, als die die Bundesregierung stellten!

     

    Diese beiden Parteien haben den größten Sozialabbau im Nachkriegsdeutschland zu verantworten. Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb haben darauf aufgebaut.

     

    Allein in Berlin arbeiten heute laut DGB 42 Prozent in sogenannten "atypischen Beschäftigungsverhältnissen", also in Zeitarbeit, Minijobs oder Teilzeit. Die geringe Entlohnung ihrer Arbeit sichert den Menschen kaum das Existenzminimum!

     

    Übrigens: Deutschlandweit haben 80 Prozent der NiedriglöhnerInnen ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene Ausbildung!

     

    Die Propaganda, das schlechte Bezahlung mit mangelnder Ausbildung der NiedriglöhnerInnen zu tun hätte, ist also falsch!

     

    Die Gewerkschaften müssen endlich mal den Arsch hochkriegen, um die Lebensbedingungen der ArbeitnehmerInnen und der Arbeitslosen zu verbessern.

     

    - Als die Agenda 2010 und Hartz-IV eingeführt wurden haben die Gewerkschaften schon nichts gemacht und der Etablierung der heutigen Elendsverhältnisse schweigend zugesehen.

     

    Wir haben bereits 12 Mio. Arme in Deutschland. Aber die CDU/CSU,FDP,SPD,Grünen - Koalition hat auch noch per Fiskalpakt und ESM mehrheitlich zugestimmt, dass massenweise deutsche Steuergelder an die Banken verschenkt werden und nebenbei noch die Demokratie in Deutschland abgeschafft wird!

     

    Diese Politik ist falsch! Das steht sogar in der FAZ.

    (Die taz hat es wohl immer noch nicht verstanden.)

     

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/schuldenkrise-retten-ohne-ende-11832561.html

  • J
    Jakob

    Das Interessante an der genannten Studie ist ja auch, was da unter "Vollzeit" verstanden wird: 21 Stunden aufwärts. 21 Stunden sind für mich Halbzeit.

    Aber nachdem den meisten Leuten aufgefallen ist, dass die sinkende Arbeitslosigkeit nur eine geschönte Statistik ist mussten die sich wohl eine neue Möglichkeit zur Schönung suchen in der Hoffnunf, dass es dann nicht auffällt.