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Kommentar Vertriebenen-StiftungsratLex Steinbach

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Erika Steinbachs Angebot für ihren Verzicht auf ihren Sitz im Stiftungsrat funktioniert nach dem Motto: Wenn ich nicht bekomme, was ich will, verlange ich eben noch mehr.

Erika Steinbach weiß sich moralisch im Recht. Sie spricht als Chefin der Vertriebenenverbände im Namen von "15 Millionen deutschen Vertreibungsopfern". Das imprägniert gegen Zweifel. Dass bei den 15 Millionen auch viele Flüchtlinge waren, die von den Nazis heim ins Rest-Reich gezwungen wurden, schrumpft in ihrem moralisch eindeutigen Weltbild zu einer Kleinigkeit.

Dass nun ausgerechnet eine konservativ-liberale Regierung ihr den Sitz in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" verweigert, hält Steinbach für einen Skandal. Denn Außenminister Westerwelle findet es keine gute Idee, dass Steinbach in dieser Stiftung mitwirkt, weil dies viele Polen aus verständlichen Gründen als Provokation empfinden. Dafür muss man Westerwelle dankbar sein. Ein neues Gefühl übrigens.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Steinbach hat in dieser Pattsituation einen Vorschlag gemacht, der zu ihrem nicht unbescheidenen Ego passt. Sie verzichtet nobel auf den symbolisch hoch aufgeladenen Sitz im Stiftungsrat, wenn der Vertriebenenverband dafür mehr Macht in der Stiftung bekommt und die Politik künftig kein Veto mehr gegen Vertriebenenfunktionäre einlegen darf. Eine Art Lex Steinbach. Dieser Vorschlag funktioniert nach dem Motto: Wenn ich nicht bekomme, was ich will, verlange ich eben noch mehr. Im Kern zielt dieser Plan darauf, das nationale Projekt Erinnerung an die Vertreibung zu einer Privatangelegenheit der Vertriebenenfunktionäre zu machen. Und die deutsche Ostpolitik zur Geisel eines Lobbyverbands.

Klar, im Stiftungsrat sitzen auch vernünftige Vertreter, etwa vom Zentralrat der Juden. Doch ist es klug, wenn die deutsche Politik es Salomon Korn überlässt zu protestieren, wenn Vertriebenenfunktionäre nationalistischen Stuss reden?

Wie es aussieht, wird die FDP am Ende tun, was sie am besten kann: umfallen. Ein Gewinner in diesem Spiel wird Angela Merkel sein, die nach Papstkritik und Rauswurf von Martin Hohmann mal was für die Fundis in der Union tun kann.

Diese Affäre ist eine ziemlich kostengünstige Gelegenheit, die Rechtskonservativen in der Union bei der Stange zu halten. Merkel hat sich diesen Streit nicht ausgesucht. Aber er kommt ihr zupass.

Und der Verlierer? Das sind die deutsch-polnischen Beziehungen. Anstatt entspannt die gemeinsame Zukunft anzupeilen, verschütten Steinbach & Co sie unter gesinnungsfester, rückwärtsgewandter Rechthaberei.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

5 Kommentare

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  • H
    huckfin

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    Es ist moralisch schon sehr verwerflich, sich als Opfer zu gerieren. Auch wenn Frau Steinbach in Polen geboren wurde, war sie doch das Kind eines Täters.

  • K
    Karnevalist

    "Klare Kante" sollte unsere "Regierung" der polnischen zeigen, oder wer regiert hier eigentlich? Das geplante Zentrum soll doch in der BRD beheimatet sein, und auch vom BRD-Steuerzahler bezahlt werden. Alles was da von den Polen kommt ist m.E. eine Einmischung.

    Aber klar: Opfer sind immer die anderen, ein Grund mehr die nächsten 923 Jahre Abbitte in jeglicher Form an alle Welt zu zeigen.

  • L
    Luftschloss

    "Dass bei den 15 Millionen auch viele Flüchtlinge waren, die von den Nazis heim ins Rest-Reich gezwungen wurden, schrumpft in ihrem moralisch eindeutigen Weltbild zu einer Kleinigkeit."

     

    Da hätte ich einmal gerne genauere Zahlen und zum zweiten ist Vertreibung und Mord keine Kleinigkeit, ob es dabei um dort seit Generationen wohnende Deutsche handelt oder dort hin verfrachtete.

    Die Deutsche Linke die sonst immer über Ungerechtigkeiten jammert täte gut daran ihren krankhaften Hass gegen die Menschen jenseits der Oder Neiße Grenze welche nicht polnischer Herkunft sind zu begraben. Unrecht beliebt Unrecht, auch wenn die Opfer eine verbrecherische Regierung hatte.

  • W
    WaltaKa

    Lt. einer Recherche des Deutschlandfunks hat der BdV noch ca 100000 zahlende Mitglieder. Auskünfte des Verbandes darüber erhielten die recherchierenden Journalisten (tatsächlich, das gibt es noch. taz, mach Dir das zum Vorbild)nicht.

    Wieso gilt Steinbach selbst als Vertriebene? Ihr Geburtsort in Polen war nie Heimat ihrer Familie. Sie ist das Kind eines deutschen Soldaten, der 1943 als Besatzer nach Polen kam.

    Steinbach erkennt bis heute die deutsche Ostgrenze nicht an.

    Steinbach und ihr Verband wollen Alleinentscheidungskompetenz und -zugriff auf die mit Steuermitteln finanzierte Stiftung. Was dann daraus werden kann, hat die Ausstellung des BdV bis August 2009 in Berlin ("Die Gerufenen") gezeigt.

    Es reicht. Klare Kante zeigen (um einen mir unliebsamen Politiker zu zitieren). Verpflichtet Steinbach und ihren Verband auf das Grundgesetz und weist sie in die Schranken.

  • FG
    Friedrich Grimm

    Leider geht es Frau Steinbach nicht um die Sache; es geht ihr lediglich um ihre eigene Person, um ihr extrem ausgeprägtes Ego. Wer glaubt mit diesen unterschwelligen Ressentiments der Sache der Vertriebenen zu dienen, der irrt gewaltig. So werden lediglich stets künstliche Hürden für unsere Nachbarn - hier im Besonderen der polnischen Nachbarn - errichtet, die die Beziehungen unserer Länder belasten. Vielleicht sollte sich Frau Steinbach einmal die Mühe machen die polnische Geschichte etwas eingehender zu studieren. Mit nur ein wenig gutem Willen müsste sie dann erkennen, dass nicht nur die Ostpolen vertrieben wurden, sondern dass von deutscher Seite gar Völkermord am polnischen Volk betrieben wurde.