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Kommentar Umbenennung SchlossplatzFreund Hindenburg

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Konservative in Münster wollen den Schlossplatz wieder in Hindenburgplatz zurückbenennen. Doch diese Auseinandersetzung betrifft nicht nur Westfalen.

I n Münster ist der westfälische Frieden gefährdet. Paul von Hindenburg sammelt seine letzten Truppen. Die Chancen dieser Ewiggestrigen, die Schlacht um den Schlossplatz zu gewinnen, scheinen nicht schlecht zu stehen.

Auf den ersten Blick sieht es wie eine Provinzposse aus, dass möglicherweise demnächst der größte Platz der Stadt wieder den Namen des Generalfeldmarschalls erhält. Doch das wäre eine zu einfache Sichtweise. Denn die Auseinandersetzung betrifft nicht nur Münster.

Es ist ein Skandal: Nach wie vor sind bis heute Straßen und Plätze quer durch die Republik nach jenem Mann benannt, der am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Dabei lässt sich seriös nicht bestreiten, dass Hindenburg einer der Totengräber der ersten Demokratie in Deutschland war. Trotzdem bedurfte es Jahrzehnte und zahlreicher Anläufe, bis der Münsteraner Rat endlich mit breiter Mehrheit für die Umbenennung des Hindenburgplatzes gestimmt hat.

taz
Pascal Beucker

ist NRW-Korrespondent der taz.

Würde der Umbenennungsbeschluss nun am 16. September per Bürgerentscheid wieder gekippt, wäre das der Sieg einer rechtsaußen angesiedelten Bürgerinitiative, der es um mehr geht, als dass alles bleibt, wie es 85 Jahre lang war. Ihr geht es um die Durchsetzung eines positiven deutschnationalen Geschichtsbildes: mit Hindenburg als „größtem deutschem Nationalheld nach Bismarck“, der „Ostpreußen gerettet“ habe.

Nicht nur deshalb würden die Folgen einer Pro-Hindenburg-Entscheidung über Münster hinausreichen. Sie würde denjenigen Kommunalpolitikern in die Hände spielen, die solche Debatten nicht führen und lieber geschichtsvergessen ihren Hindenburgplatz oder ihre Hindenburgbrücke im Dorf lassen wollten. Welcher Stadtrat würde es dann noch wagen, das ändern zu wollen?

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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9 Kommentare

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  • W
    Waldgänger

    In diesem Zusammenhang sollte einmal an der großen Sozialdemokraten Friedrich Ebert erinnert werden, der folgendes sagte:

     

    „Wenn der Tag kommt, an dem die Frage auftaucht: Deutschland oder die Verfassung, dann werden wir Deutschland nicht wegen der Verfassung zugrunde gehen lassen.“

     

    An Ebert sollten sich heutige Linke häufiger orientieren, oder müssen wir jetzt auch alles, was nach Friedrich Ebert benannt ist, umbenennen?

  • MT
    Major Tom

    Es geht in dieser Sache nicht darum, was richtig oder falsch ist, sondern darum, was die Bürger wollen.

     

    Das ist der Grundsatz der direkten Demokratie.

     

    Wenn ein Volksbegehren diesen Platz "Honolulu-Square" nennen möchte und die notwendige Mehrheit findet, dann soll es so sein. Oder eben auch "Hindenburg-Platz".

     

    Als geläuterter Demokrat kann ich die Sache also ganz gelassen sehen, ohne mich in Geschichtsdebatten von Gestern zu verstricken.

     

    Deshalb: Bitte mehr Respekt vor der direkten Demokratie. Das ist ein Pflänzchen, das wir pflegen sollten.

  • K
    keetenheuve

    Wenn dem Münsterschen Rat das Volk nicht passt, dann soll es sich doch ein anderes wählen...... Im übrigen ist die Bürgerinitiave ganz und gar nicht "rechtsaußen" angesiedelt. Solche "Argumente", noch dazu erfunden, zeigen in aller Deutlichkeit die abgehobene und bürgerferne Sicht von Politik und Medien. Wenn die nach Willem Zwo benannte Wilhelm-Universität auch ihren Namen ändern würde, dann könnte man auch "Hindenburg" tilgen. Aber ausgerechnet Hindenburgs Dienstherr soll weiter geehrt werden, aber der vor der Willem-Zwo-Universität befindliche Platz soll von Hindenburg gereinigt werden? Absurd.

  • U
    Uticensis

    Paul von Hindenburg hat sich für die demokratische Weimarer Republik in die Pflicht nehmen lassen und seine Pflichten als Reichspräsident getreu wahrgenommen. Schon deswegen sind Erinnerungsorte an ihn ebenso angemessen wie für Reichspräsident Friedrich Ebert. Gegen den haben die Linksextremisten hierzulande historisch ja auch einiges einzuwenden - den Denkmalsturz in Bezug auf ihn zu betreiben, trauen sie sich nur nicht, weil sich die SPD zur Ebert'schen Tradition (noch?) bekennt.

  • W
    Waage

    Hindenburgs Debilität in Kombination mit seinem üblen Beraterkreis haben Hitler an die Macht gebracht und ihn so zu dessen „Steigbügelhalter“ gemacht. Bei hellem Verstand hätte er eine Kanzlerschaft Hitlers sehr wahrscheinlich verhindert.

     

    Hindenburgs Rolle in der Geschichte ist für mich daher ambivalent und nicht eindeutig negativ. Er war zwar junkerhaft, voller Dünkel, bräsig und erzkonservativ aber nicht reaktionär/faschistisch/boshaft wie Ludendorff.

     

    Seine erste Amtszeit als Reichspräsident dagegen war sogar relativ passabel. Hindenburg war eine der wenigen Persönlichkeiten der alten Eliten, welche sich, wenn auch mit vielen Skrupeln und ohne Begeisterung, zur Republik bekannt haben und somit eine Zeitlang zu ihrer Akzeptanz im rechten Bürgertum beigetragen haben.

     

    Die „Schlacht um Tannenberg" dürfte heute ruhig auch mal etwas positiver gewertet werden. Die Folgen eines Einbruchs der „Russischen Dampfwalze“ bis vor Berlin hätte das Flüchtlingselend von 1945 schon 1914 wahr werden lassen. Das Verbrecherische am ersten Weltkrieg war nicht der zunächst defensiv angelegte Krieg um Ostpreußen aus einer Bündnisverpflichtung und Selbstschutz heraus sondern die rein militärtechnokratisch-nihilistische, unnötige und daher umso unentschuldbarere Aggression gegen Frankreich und das neutrale Belgien.

     

    Ich finde es gut wenn regelmäßig und neu über umstrittenen Persönlichkeiten der Geschichte nachgedacht und gestritten wird.

    Dazu sind Denkmäler (Wundmäler!?!)da: ob nun Straßennamen wie Hindenburg, Rosa Luxemburg, Friedrich Ebert, Langemarckstraße oder Karl Marx Allee oder, auch mal eine Engels Statue, Willi I am "Deutschen Eck", Hermann im Teuto und der "Palast der Republik" (schade drum!). Alles kontrovers, nirgendwo Licht ohne Schatten.

     

    Ich rede hier nicht von Großverbrechern wie Hitler oder Stalin.

    Trotzdem, wir können alles abreißen und umbenennen, unserer Geschichte müssen wir uns dennoch stellen.

     

    Konkret noch mal zum Fall Münster: Ich fände es sinnvoller wenn unter den Hindenburgplatzschildern Tafeln angebracht würden, auf denen auf die ursprüngliche Benennung des Platzes und auf die Knackpunkte in der Vita HBs hingewiesen würde.

  • H
    h.yurén

    die nazionalmannschaft in london oder wo auch immer gerade gekämpft wird um die nazionale ehre. oder um was kicken und rudern die in den nazionalfarben?

    dass autofahrer/innen in kauf nehmen, deutlich mehr sprit zu verbrauchen für das flatternde fähnchen, ist klar neben den straßenpanzern, die zugelassen sind trotz doppeltem spritverbrauch etc.

    sport und nazion sind von anfang an innigst verbunden. daher die konstruktion des sommermärchens neulich.

     

    das festhalten etzlicher bürger in münster und überall im land an den straßen- und platznamen zu ehren nazional bedeutender figuren der nazionalgeschichte ist teil der trüben suppe, die hierzulande mit plastik- und goldlöffeln eingenommen wird. es ist eine nazionale krummlage seit nazionalromantischen zeiten.

    wenn nur genügend wahlstimmen zusammenkommen, ist die nazionaldemokratie ein fakt. nackt.

  • R
    Ralph

    Richtig, und dieses komische Luftschiff hieß auch irgendwie ganz anders. Wie, müssen wir uns noch überlegen.

     

    Der Mensch soll aus seiner Geschichte lernen. Das geht nicht, wenn man sie bewußt wegrationalisiert.

  • L
    Lexer

    Solange es in Deutschland Karl Liebknecht-Häuser und Denkmäler der Roten Armee gibt, können wirs auch aushalten, wenn

    Plätze nach Gegnern der parlamentarischen Demokratie von der

    rechten Seite benannt sind.

  • U
    ulschmitz

    in mönchengladbach heißt die hauptstraße bis heute Hindenburgstraße. die kreuzende zweitwichtigste straße im zentrum heißt Bismarckstraße. bei einem rundgang durch die stadt wird man bestimmt noch anderen "toitsche größßänn" finden (lettow-vorbeck wäre ein tipp). dazu vergleiche man die wahlergebnisse der CDU und den anteil der katholiken an der stadtbevölkerung.

    es soll auch in anderen städten immer noch "hindenburg-gymnasien" geben.

    es soll menschen in deutschland geben, die der ansicht sind, sie lebten in einem durch und durch säkularen staat - wer's glaubt, wird selig.