piwik no script img

Kommentar Ukraine in der WTOSchritt nach Westen

Kommentar von Erhard Stölting

Auch wenn die Ukraine nun der WTO beigetreten ist und davon stark profitieren wird - der Weg zur EU-Mitgliedschaft ist noch lang.

D ie Ukraine wird von ihrem Beitritt zur WTO wirtschaftlich enorm profitieren - als Land niedriger Löhne kann sie nun problemlos auf dem europäischen Markt konkurrieren, und Kredite für die investitionshungrige ostukrainische Schwerindustrie sind auch leichter zu erlangen. Aber für Präsident Wiktor Juschtschenko, für Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und für ihre Wähler ist der Beitritt auch ein gewaltiger politischer Schritt des Landes nach Westen. Dem gaben sie in ihrem öffentlichen Jubel auch klar Ausdruck. Für sie handelt es sich um einen Schritt zur geografischen Neubestimmung Osteuropas; das soll künftig östlich und nördlich der ukrainisch-russischen Grenze beginnen.

Die Ukraine kann in diesem antirussischen Streben partiell die Interessen der EU repräsentieren. Denn beide hängen von russischen Gaslieferungen ab. Der ukrainische Wunsch nach einer Pipeline durch Aserbaidschan, Georgien und die Ukraine nach Westeuropa könnte das russische Monopol brechen, und mit ihm nicht nur die Monopolpreise, sondern auch die politischen Pressionsmöglichkeiten der russischen Führung. Diese Pipeline soll allerdings ihr Gas im Iran aufnehmen - weshalb sich die Begeisterung der USA darüber in Grenzen hält.

Der WTO-Beitritt wird die Restrukturierung der ukrainischen Wirtschaft und Gesellschaft weiter befördern. Was den europäischen Verfassungsvertrag einst für die Mehrheit der französischen und niederländischen Stimmbürger inakzeptabel machte, ist in der Satzung der Welthandelsorganisation fixiert: Die Fernziele des vollständigen Freihandels unter den Mitgliedern und einer umfassenden Privatisierung der Wirtschaft, die auch Energie, gemeinnützige Dienstleistungen und Wasser nicht ausnimmt. Vielleicht wird nun die Ukraine allmählich auch Wege finden, mit einigen anderen Erblasten fertig zu werden: einer wuchernden Bürokratie und einer bemerkenswerten Korruption. Der Weg zur vollen Mitgliedschaft in die EU ist noch lang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!