Kommentar Überwachung: Es mangelt an Phantasie
Zwei mutmaßliche Totschläger sind mit Hilfe von Überwachungskameras gefasst worden. Den Opfern hat das trotzdem nichts genützt.
Z wei mutmaßliche Totschläger sind mit Hilfe von Überwachungskameras gefasst worden. Wer den Tathergang verfolgt hat, atmet erleichtert und befriedigt auf. Immer häufiger ist von solchen Fällen in der Zeitung zu lesen. Den Opfern hat die Videoüberwachung jedoch nichts genützt und die Täter sind durch sie nicht abgeschreckt worden. Einige Untersuchungen deuten daraufhin, dass die Überwachung nur zur Aufklärung taugt.
Das ist freilich kein geringes Gut: Das Rechtsempfinden der Bevölkerung wird gestärkt; die Täter werden aus dem Verkehr gezogen - wenn es ganz gut läuft sogar auf den rechten Weg gebracht. Die kathartische Erlösung von der Angst, die das Fangen von Verbrechern vermittelt, ist jedoch eine starke Emotion, die leicht zu unbedachten Schlüssen verleitet. Die starke Ausbreitung der Videoüberwachung und der geringe Widerstand dagegen sprechen dafür, dass dieses Gefühl weit stärker ist als die Angst vor eine Überwachung auf Schritt und Tritt.
Das Jahr 1984 mit seiner Überwachungsangst scheint unvorstellbar weit weg. Auch mag seit dem Ende der Blockkonfrontation George Orwells Horrorvision an Plausibilität eingebüßt haben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass uns bloß jemand mit der nötigen Phantasie fehlt, die neuen Überwachungsmöglichkeiten in ein Gefahrenszenario für die heutige westliche Gesellschaft zu übersetzen.
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