Kommentar USA-Iran: Clever gemacht
Der Iran zeigt sich derzeit schwach. Und wer schwach ist, mit dem verhandelt man gern. Das ist keine Kehrtwende der USA, das ist Taktik.
Bernd Pickert ist der USA-Experte im Auslandsressort der taz.
Es ist zunächst ein symbolischer Schwenk der US-Außenpolitik gegenüber dem Iran, aber er ist wichtig. Zum ersten Mal wird am Wochenende der US-Staatssekretär William Burns an den Verhandlungen der Europäischen Union mit dem Iran teilnehmen. Bislang hatte Washington stets darauf beharrt, dass der Iran schon als Vorbedingung solcher Gespräche sein Urananreicherungsprogramm einstellen müsse. Jetzt geht es auch so.
Mag sein, dass die US-Regierung damit auch auf die Forderung nach Wiederbelebung der Diplomatie reagiert, die Kandidat Barack Obama so populär erhebt. Vor allem aber ist der Schwenk eine Reaktion auf das, was in Washington derzeit als Schwäche des Iran erlebt wird: Berichte über interne Streitigkeiten in der Führung über die Atomfrage und eine recht geeinte Haltung von EU, UNO und USA. Wer schwach ist, mit dem verhandelt man gern. Der Schritt der Bush-Regierung ist insofern Taktik und keine Aufgabe bisheriger Grundpositionen. Das Ziel, das Regime in Teheran mittelfristig zu Fall zu bringen, bleibt unverändert.
Durch den einfachen Schritt, seinen dritthöchsten Diplomaten "einmalig" mit an den Verhandlungstisch zu setzen, nimmt Bush den internen Kritikern den Wind aus den Segeln und bindet gleichzeitig die Verhandlungsführer aus EU und Sicherheitsrat noch stärker an die US-Position. Für schlichte US-amerikanische Starrköpfigkeit würden weder Javier Solana noch Angela Merkel in die Bütt steigen - wohl aber gegen einen Iran, der Angebote ausschlägt.
Bushs Triumph, und damit der eines John McCain, wird darin bestehen, damit klar den Iran als Schuldigen für das absehbare Scheitern ausmachen zu können. Damit wären auch die EU und die anderen Verhandler beschädigt. Die iranische Regierung hat jetzt die Wahl, ob sie der US-Führung und ihren weiter bestehenden Vorhaben des Regime Change, notfalls mit gewaltsamen Mitteln, in die Hände spielen will oder, wenigstens als Geste, eine Zeit lang auf die Anreicherung verzichtet und auf diese Weise neuen Spielraum schafft.
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